: Qualsystem Sozialsystem
Europa-Marsch Mit 60 Holzkreuzen erinnern Aktivisten an Todesopfer der Agenda 2010: Sie demonstrieren für eine gerechtere, friedliche und demokratische EU
Es hat Tote gegeben: Mit 60 Holzkreuzen demonstrierten gestern „Betroffene von Hartz IV“ gegen die nach ihrer Einschätzung menschenrechtswidrigen Härten der Agenda 2010 auf dem Oberen Domshof. Jedes dieser Kreuze steht für einen der öffentlich bekannt gewordenen Toten, erklärt Initiator Michael Frilsch, der aus Berlin stammt.
„Dort, wo wir die Namen wussten, haben wir sie aufgeführt“, erklärt Frilsch. Mitunter aber fehlen in den Presseberichten genauere Angaben: Bei dem Mann im Thüringischen etwa. Die Stadtwerke hatten ihn vom Netz genommen. Als ihn an Allerheiligen 2012 seine drei Kinder aus dem Heim besuchen wollten und er ein Notstromaggregat in Gang brachte – jedoch unter Umgehung der Sicherheitsvorschriften. Aus Versehen hat er sich und seine drei Kinder vergast.
Die Aktion findet statt im Rahmen eines Marschs nach Europa, im Vorfeld der Großdemonstration in Brüssel: AktivistInnen aus ganz Europa haben angekündigt, den EU-Gipfel zu umzingeln und mit ihren Forderungen nach einem gerechteren, demokratischen, ökologischeren und friedlichem Europa zu konfrontieren. Frilsch und seine Mitstreiter sind von Hamburg aufgebrochen, heute wollen sie in Düsseldorf Station machen.
„Wir haben uns auf die Fälle beschränkt, die in der Presse waren“, erklärt er die Zahl der Kreuze. Neben den Suiziden seien auch die Fälle von Sachbearbeitern der Arbeitsagenturen mit aufgeführt, „die zählen für uns auch“, so Frilsch. Die tatsächliche Zahl der Hartz-Opfer schätze er „deutlich höher“: Bei seinen Mahnwachen kämen oft Angehörige unbekannter Opfer auf ihn zu und erzählten deren Fall. Die Kreuze erinnern optisch an die Gedenkkreuze für die Mauer-Toten – eine bewusste Reminiszenz. „Ich bin gelernter DDR-Bürger“, erklärt Frilsch. Die Härten, Zumutungen und Gängeleien der Hartz-Gesetzgebung „rufen Erfahrungen aus einem anderen System bei mir wach“. bes
Infos: http://www.die-opfer-der-agenda-2010.de/
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