piwik no script img

Thematisch auf der Höhe

ANSPRUCH Im Programm des 30. Unabhängigen Filmfests Osnabrück bilden Filme zu Flucht und Grenze einen Schwerpunkt

Weil es billiger geworden ist, Filme zu machen, können sie schneller und unabhängiger produziert werden. Noch vor einigen Jahren kamen etwa Arbeiten mit politischen Themen häufig erst in den Kinos an, wenn sie nicht mehr aktuell waren. Wie radikal sich das geändert hat, verdeutlichte zum ersten Mal der „arabische Frühling“: Noch im Jahr des Umbruchs waren erste Filme dazu auf den Festivals zu sehen.

Das Gleiche passiert zurzeit mit der Flüchtlingsproblematik. Wenn nun vom 7. bis 11. Oktober ein traditionell entschieden gesellschaftspolitisch ausgerichtetes Festival wie das „Unabhängige Filmfest Osnabrück“ ansteht, ist eine Reihe von Filmen zu Migration und Grenzen schon beinahe selbstverständlich.

So zeigt die Dokumentation „Evaporating Borders“ von Iva Radivojevic (Sa, 10. Oktober), was das Eintreffen vieler Flüchtlinge mit der Gesellschaft auf der Insel Zypern verändert. Autobiografisch vom Flüchtlingselend erzählt Vladimir Tomic in seiner Dokumentation „Flotel Europe“ (Do, 8. Oktober): In den 1990er-Jahren wurde seine Familie wie viele andere Flüchtlinge aus Ex-Jugoslawien auf einem Schiff im Hafen von Kopenhagen untergebracht. Sein Vater schickte damals mit der VHS-Kamera aufgenommene „Videobriefe“ zurück in seine Heimat. Diese privaten Aufnahmen mischt Tomic mit seinen eigenen Erinnerungen, und durch diese ungewöhnliche Perspektive gelingt es ihm, Flüchtlinge nicht in der üblichen Opferrolle zu zeigen.

Ein 10-Jähriger aus dem Kosovo macht sich ganz alleine auf den Weg nach Deutschland. Dorthin war sein Vater abgehauen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben. Von dieser ambivalenten Beziehung erzählt Visar Morinas Regiedebüt „Babai“ (Fr, 9. Oktober): Der Mix aus Sozialdrama und Gefühlskino erhielt auf dem Filmfest München gleich drei Förderpreise.

Ein weiterer Preisträger zum Thema ist nun in Osnabrück Abschlussfilm: „Dheepan“ von Jacques Audiard (So, 11. Oktober) gewann in diesem Frühjahr die Goldene Palme in Cannes. Er handelt von drei Flüchtlingen aus Sri Lanka, die in der Pariser Banlieue untergebracht werden. Der Protagonist kämpfte für die Rebellentruppe Tamil Tigers und wird ins Drogenmilieu hineingezogen –mit katastrophalen Konsequenzen.

Insgesamt 35 Lang- und etwa 40 Kurzfilme zeigt das Festival an den fünf Tagen. Für eine neue Offenheit gibt es kleine Nebenreihen mit Animations- und Schwarz-Weiß-Filmen, eine Handvoll dreckig-schöner Genrefilme und, zur Eröffnung, eine Art deutsche Antwort auf Billy Wilders „The Lost Weekend“: Axel Ranisch zeigt in „Alki Alki“, wie ein Mann als Alkoholiker vor die Hunde geht. Interessant daran: Die Sucht wird hier als Filmfigur gezeigt –und dieser alte Freund „Flasche“ lässt sich nicht so einfach aus dem Leben des Trinkers herausdrängen. HIP

www.filmfest-osnabrueck.de

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen