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Auf der Durchreise

Österreich 90.000 Ankömmlinge, aber nur 5.000 Asylanträge

WIEN taz | Erstmals seit Beginn der jüngsten Fluchtbewegungen mussten Schutzsuchende vor Österreichs Grenze übernachten. Etwa hundert Menschen, darunter viele Frauen mit kleinen Kindern, verbrachten die Nacht im Niemandsland zwischen Slowenien und dem steirischen Spielfeld – obwohl in Sichtweite leere Rotkreuzzelte bereitstanden. Die Polizei hatte am Abend alle ohne gültige Pässe zurückgewiesen. Erst gegen 11 Uhr am Sonntag wurden diese Menschen auf ihre Rufe „Please, open the border!“ durchgelassen.

Weiterhin ungehindert können Flüchtlinge an den burgenländischen Übergängen Nickelsdorf und Heiligenkreuz von Ungarn her queren. Am Samstag kamen laut Wiener Innenministerium insgesamt 11.000 Flüchtlinge über die Grenzübergänge im Burgenland und der Steiermark nach Österreich. Sonntagvormittag trafen weitere 7.000 allein in Nickelsdorf ein. Nach einer Erstversorgung mit Nahrungsmitteln, Getränken und einer medizinischen Überprüfung werden die meisten nach Graz, Wien oder Salzburg gebracht. Sonntagmorgen machten sich von Graz aus 300 Flüchtlinge in Richtung Salzburg und Deutschland auf den Weg.

Von den 90.000 Flüchtlingen, die in den vergangenen zehn Tagen durch Österreich reisen, stellten nur etwa 5.000 Asylanträge. Ungarn hat sich durch seinen Umgang mit Asylsuchenden als sicherer Staat disqualifiziert. Nach Slowenien will Wien aber abschieben. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): „Wir werden das Dublin-Abkommen jedenfalls konsequent umsetzen. Auch Kroatien und Slowenien werden ihrer Verantwortung nachkommen.“ Die strenge Rhetorik dürfte auch dem Wahlkampf geschuldet sein. Demnächst wird in Oberösterreich (27. 9.) und Wien (11. 10.) gewählt. Überall befindet sich die rechte FPÖ im Höhenflug, der durch die Flüchtlingskrise noch beschleunigt wird. Ralf Leonhard

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