Doppelfolge „Polizeiruf“: Der bessere „Tatort“
Erstmals lässt die ARD zwei „Polizeiruf“-Teams zusammen ermitteln. Die Krimireihe tritt endgültig aus dem Schatten des großen Bruders.
Es beginnt mit einem Klingeln. Die Rostocker Kommissarin Katrin König steht in der Polizeizentrale und hält das Telefon des Toten in der Hand. Sie hebt ab, und am anderen Ende meldet sich Doreen Brasch, Kripo Magdeburg.
Es ist nicht das erste Mal, dass zwei Teams von Fernsehkommissaren am Sonntagabend zusammen ermitteln. 2012 hatte der „Tatort“ bereits die Leipziger und Kölner Kommissare für eine Doppelfolge zusammen arbeiten lassen. Für „Wendemanöver“ treffen sich nun zum ersten Mal „Polizeiruf“-Paare.
In Magdeburg wird bei einem Brandanschlag eine Frau getötet, in Rostock liegt deren Geliebter tot in einem Hotelzimmer. Die gemeinsamen Ermittlungen bringen die Kommissare König und Bukow (Anneke Kim Sarnau, Charly Hübner/Rostock) und Brasch und Drexler (Claudia Michelsen, Sylvester Groth/Magdeburg) zu einer Firma, die illegal mit Waffen handelt, Altlasten aus der Wendezeit mit sich rumschleppt und das Feindbild der linken Szene ist.
„Wendemanöver“ ist ein klassischer Wirtschaftskrimi – untypisch für Eoin Moore, der die Drehbücher mitgeschrieben und Regie geführt hat. Die Bücher zu dem Zweiteiler hat er von einem anderen Autor übernommen, das Gerüst stand also schon. Und das ist ganz schön aufgeblasen für einen Krimi, selbst für einen, der 180 Minuten dauert.
25. Jahrestag der Wiedervereinigung
Aber wenn der 25. Jahrestag der Wiedervereinigung zu feiern ist, lässt die ARD sich das eben etwas kosten. Dass sie dafür ausgerechnet den „Polizeiruf“ und nicht den „Tatort“ zum Event aufbläst, zeigt, dass die ehemalige DDR-Krimireihe dabei ist, aus dem Schatten ihres BRD-Pendants herauszutreten.
Vier Teams ermitteln aktuell, in Frankfurt (Oder) (rbb), Rostock (NDR), Magdeburg (MDR) und München (BR) – sind jedoch wesentlich seltener zu sehen als die KollegInnen aus dem „Tatort“. Auch bei der Quote zeigt sich bisher meist ein Ungleichgewicht: Die Zehn-Millionen-Marke knackt nur der „Tatort“ regelmäßig. „Dabei unterscheiden die Sender selbst gar nicht mehr zwischen ‚Tatort‘ und ‚Polizeiruf‘“, sagt Regisseur Eoin Moore. „Der Unterschied liegt nicht darin, ob man einen ‚Polizeiruf‘ oder einen ‚Tatort‘ dreht, sondern darin, für welche Redaktion und Sendeanstalt man das tut“. So liege das Budget für einen Sonntagabend-Krimi immer zwischen 1,1 und 1,5 Millionen Euro, danach richte sich auch die Anzahl der Drehtage.
Doppelfolge „Polizeiruf“, 27.9. und 4.10., 20.15 Uhr, ARD
Auch wenn der „Polizeiruf“ weniger auf die großen Star-Kommissare setzt als der „Tatort“, investieren die Sender dennoch in erstklassige Besetzung: Das Rostocker Kommissarteam ist derzeit eines der spannendsten in der gesamten Sonntagabendriege: Bukow, dessen Frau mit seinem Kollegen fremdging, ist der Harte, der auch mal zuschlägt. Seine Kollegin König ist verschlossener, kontrollierter. In „Wendemanöver“ verliert sie zum ersten Mal kurz die Fassung und wird unprofessionell.
Auch Claudia Michaelsen, die bisher drei „Polizeiruf“-Filme aus Magdeburg gedreht hat, bekommt in „Wendemanöver“ mehr Kontur: Als die kluge, ruhige Kommissarin erinnert sie an Maria Furtwängler als Charlotte Lindholm im Hannoveraner Tatort, nur dass Brasch noch mehr Bruchstellen hat: Ihr Sohn ist Neonazi geworden.
Entwicklung im deutschen Fernsehen
„Im deutschen Fernsehen hat in den letzten Jahren eine große Entwicklung stattgefunden“, sagt Regisseur Moore. „Zum einen sind die Ansprüche enorm gestiegen, weil sowohl Zuschauer als auch Redaktionen immer mehr in die USA schauen, nach den großen Serienerfolgen dort. Zum anderen stagnieren die Budgets oder werden reduziert.“ Für so hochklassige Produktionen wie aus den USA oder Skandinavien gäbe es im deutschen Fernsehen kein Geld und keine Sendeplätze, sagt Moore.
Immerhin, die neuesten „Polizeiruf“-Folgen zeigen, dass auch der Sonntagabend anders bespielt werden kann als mit dem klassischen „Tatort“-Muster. Für den letzten „Polizeiruf“ vor der Sommerpause engagierte der BR den Autorenfilmer Christian Petzold als Regisseur, der für seine Kinofilme „Phoenix“, „Yella“, und „Barbara“ mehrfach preigekrönt wurde.
In Magdeburg wird es nach „Wendemanöver“ ohne Sylvester Groth weitergehen, in Rostock wie gewohnt mit Hübner und Sarnau. Seine Ideen für Bukow und König reichen für die nächsten drei Jahre, sagt Moore. Er muss nur noch die Sendeplätze dafür bekommen.
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