Daumenkino
: „Limbo“

Der männliche Blick und das weibliche Objekt, das sind die Themen von Saras Lehrerin

Bevor Sara (Annika Nuka Mathiassen) und Karen (Sofia Nolsøe) sich an die Streicharbeit machen, serviert Karen auf einem Tablett Roggenbrot und Leberwurstpastete. Als eine Stärkung ist die Mahlzeit gedacht, aber sie sorgt auch für Vertrautheit. Gemeinsam am Tisch sitzend, lässt es sich gut reden.

Geplant war der gemeinsame Arbeitseinsatz von Schülerin und Lehrerin so nicht. Eigentlich sollte eine andere helfen kommen, aber die ist kur­zerhand abgesprungen. Nun gehen die dreihundert Kronen an Sara. Und auch die Zeit mit Kare n. Wenig später sieht man beide Frauen dann beim Malern.

Einmal verlegen sie ein Stück Schutzfolie. Die Art, wie diese zwischen ihnen raschelt und schwebt – Sara auf der einen Seite, Karen auf der anderen: Regisseurin Anna Sofie Hartmann schafft für diesen alltäglichen Handgriff ein doch sehr zartes Bild. Es darf für die Beziehung zwischen Sara und Karen stehen, die „Limbo“ im Grunde nicht weiter ausführt, auch, weil es gar nichts Ausführliches über sie zu zeigen gibt. Obschon Sara für einen zweiten, dieses Mal unangekündigten Besuch Karens Wohnung betritt. Grund ist ein karges Liebesgeständnis. Aber Karen glaubt ihm nicht.

In Nakskov, einer dänischen Stadt, die sowohl Geburtsort von Hartmann als auch ein Zentrum der dänischen Zuckerindustrie ist, wird Karen Saras Lehrerin. Ihrem Unterricht kann man gleich zu Beginn des Films beiwohnen, bevor beide überhaupt aufgetreten sind. Teile aus „Antigone“ werden vorgetragen.

Still und unheimlich

In einer anderen Stunde lenkt Karen die Blicke der Schüler auf ein Venus-Gemälde aus dem 19. Jahrhundert. Der männliche Blick und das weibliche Objekt, das sind Karens Themen. Einer Freundin von Sara ist die neue Lehrerin „zu feministisch“, Sara hingegen übt sich in stiller Bewunderung. Still ist sie ohnehin, fast schon geheimnisvoll, Karen scheint sie irgendwann auch unheimlich zu werden. Einem dichten Plot folgt „Limbo“ dabei keinesfalls, eher reihen sich die Szenen klar (Arrangement) und dennoch gräulich (Stimmung) aneinander, unterbrochen von Verarbeitungsschritten aus der Zuckerproduktion.

„Limbo“ ist Hartmanns erster Langfilm, entstanden im Rahmen ihres Regiestudiums an der dffb, wo er auch Unterstützung von Valeska Grisebach („Mein Stern“, „Sehnsucht“) erhielt. Grisebachs Name ist mit der Berliner Schule assoziiert und „Limbo“ scheint wie ein jüngerer Verwandter. Es ist liegt sicherlich auch an der Kamera­arbeit Matilda Mesters, denn diese gebärdet sich aus der Erzählung heraus und bleibt doch selbstständig. Etwas, das man leider gar nicht so häufig sieht.

Carolin Weidner

„Limbo“. Regie: Anna Sofie Hartmann. Mit Annika Nuka Mathiassen, Sofia Nolsǿe u. a. Deutschland/Dänemark 2014, 80 Min.