: „Man wirft viel zu viel in einen Topf“
Die aktuelle PISA-Studie hat die Diskussion um das drei-gliedrige Schulsystem neu entfacht. Zu Unrecht, sagt die Geschäftsführerin der Landeselternschaft Gymnasien
KÖLN taz ■ Frau Kols-Teichmann: Ist es nicht evident, dass das dreigliedrige Schulsystem mit verantwortlich dafür ist, dass in Deutschland die soziale Herkunft weiter entscheidend für den Schulerfolg ist?
Barbara Kols-Teichmann: Ich glaube das nicht. Was mich bei der jetzigen Diskussion stutzig macht, ist die Tatsache, dass bei der Vorstellung der zweiten PISA-Studie im Juni der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und schulischem Kompetenzerwerb gerade in Bayern als relativ schwach angesehen wurde. Jetzt aber wird das Gegenteil behauptet. Mich erstaunt das: Was soll sich so schnell verändert haben?
Es gibt also keinen Zusammenhang zwischen Herkunft und Gymnasialbesuch?
Er lässt sich so nicht eindeutig nachweisen. Man verbindet ja Gymnasium immer mit Kompetenzerwerb. Man muss aber sehen, dass in den Ländervergleichen Gymnasium nicht gleich Gymnasium ist. Deshalb ist es nicht gerechtfertig, dass Bayern jetzt so angegriffen wird, weil dort der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und Kompetenzerwerb besonders stark sei. Denn in Bayern ist der Kompetenzerwerb an den Realschulen und Hauptschulen ganz besonders gut. Aber man wirft im Moment viel zu viel in einen Topf und sagt sofort: Das gegliederte Schulsystem ist Schuld.
Aber warum halten Sie so an diesem System fest: In fast allen anderen Ländern bleiben die Schüler bis zur zehnten Klasse zusammen?
Wir denken, dass das System das beste ist, um unterschiedlichen Begabungen gerecht zu werden. PISA hat eindeutig nachgewiesen, dass es keinen Zusammenhang gibt zwischen Kompetenzerwerb und Schulsystem. Es gibt viele Länder mit integriertem Schulsystem, die noch schlechtere Ergebnisse haben als Deutschland. Es liegt also nicht am System sondern am Unterricht – der muss verbessert werden.
Was sind Ihre Vorschläge, um die Chancengleichheit zu verbessern?
Das Bildungsbürgertum fördert seine Kinder sicher mehr – etwa was das frühzeitige Lesen angeht. Die Schule müsste daher einen stärkeren Ausgleich für andere Kinder schaffen. Denn gerade Lesen ist eine Grundkompetenz für alles weitere. Das zweite ist: In NRW fallen jedes Jahr fünf Millionen Unterrichtsstunden aus. Es ist eine Binsenweisheit, dass schwächere Schüler mehr auf Unterricht angewiesen sind als stärkere. Da müsste man was tun.INTERVIEW: SUSANNE GANNOTT