: An der Kreide gespart
Flüchtlinge Mit ausländerfeindlichen Sprüchen löst die Hamburger AfD-Fraktion einen Eklat aus
Hamburgs Sozialsenator Detlef Scheele, SPD
Irgendwann hatte Nebahat Güçlü genug: „Herr Wolf, Sie sind eine Schande für dieses Parlament“, sagte die fraktionslose Abgeordnete am Mittwochabend in der Hamburgischen Bürgerschaft. Unter großem Beifall aller Fraktionen –außer der AfD: Deren Abgeordneter Alexander Wolf hatte zuvor mit Schmähungen gegen Hamburgs geplantes „Forum Flüchtlingshilfe“ für einen Eklat gesorgt. Er unterstellte, die zur Finanzierung vorgesehenen 1,7 Millionen Euro würden für „Pro-Asyl-Organisationen und Pro-Asyl-Propaganda“ ausgegeben, was die „Massenimmigration“ befördere. Man solle nicht noch „Anreize“ schaffen für Flüchtlinge vornehmlich vom Balkan, die sich gar nicht integrieren wollten und nur aus wirtschaftlichen Gründen kämen.
Die Linksfraktion verließ aus Protest den Saal, Güçlü und andere blieben, um zu antworten: Die AfD habe „die Maske fallen lassen“, sagte etwa SPD-Fraktionschef Andreas Dressel, „und zum Vorschein kommt die hässliche Fratze der Ausländerfeindlichkeit“. Wolf lege das geistige Fundament für Brandstifter, so Karin Prien (CDU): „Jetzt weiß die ganze Stadt, wes’Geistes Kind sie sind.“ Selbst Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) platzte der Kragen: Unter Hinweis auf die Bilder von aus Syrien oder Afghanistan fliehenden Menschen sagte er in Richtung AfD: „Die kommen aus blanker Not. Machen Sie die Augen auf –Himmel, Arsch und Zwirn.“
Anschießend beschlossen SPD, Grüne, CDU, FDP und Linke das „Forum Flüchtlingshilfe“, das der Koordination von haupt- und ehrenamtlichen Helfern dienen soll. Beteiligt sein werden Behörden und Vertreter etwa von Kirchen oder Wohlfahrtsverbänden.
Für den Abgeordneten Wolf hat der Vorfall noch andere Folgen: Vor der turbulenten Flüchtlingsdebatte war die AfD mit dem Versuch gescheitert, den 48-jährigen Rechtsanwalt in die Härtefallkommission des Parlaments wählen zu lassen. Die Kommission ist das Gnadengremium der Bürgerschaft, das in Abschiebefällen Gnade vor Asylrecht ergehen lassen kann. Nur 29 Abgeordnete votierten jetzt für den ehemaligen „Republikaner“ sowie Alten Herrn der als rechtsextrem geltenden Burschenschaft „Danubia“, 62 stimmten gegen ihn. Durchgefallen war Wolf schon beim ersten Versuch vor der Sommerpause. Davor war der AfD-Abgeordnete Dirk Nockemann, einst als Schillianer für sechs Monate Hamburger Innensenator, mit seiner Kandidatur gescheitert –und das fünf Mal.
Nach seinem Auftritt in der Flüchtlingsdebatte dürfte Wolf kaum damit rechnen können, je eine Parlamentsmehrheit zu erhalten. Was das für die Hamburger AfD heißt, ist offen.
Sven-Michael Veit
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