: „Wir haben das System optimiert“
UMBRUCH Katja Kleinveldt, Trainerin der Sportgymnastinnen, über Medaillenchancen bei Olympia und die Reaktion auf einen Skandal im Bundesstützpunkt
Interview Sandra Schmidt
taz: Frau Kleinveldt, bei der von Russland dominierten Weltmeisterschaft in Stuttgart, die am Sonntag zu Ende ging, hat sich keine deutsche Gymnastin für die Olympischen Spiele 2016 qualifizieren können. Wie wollen Sie in Zukunft olympische Medaillen gewinnen?
Katja Kleinveldt: Im Einzelwettbewerb geht das nicht, wir werden uns da auf die Gruppe stürzen. Wir werden versuchen, in den nächsten Zyklen den Altersschnitt zu heben, sodass die Mädchen praktisch mit der Schule fertig sind und dann zum Beispiel in der Sportfördergruppe der Bundeswehr weitermachen, sich also voll aufs Training konzentrieren. Nur so können wir das schaffen.
Das heißt: Sie plädieren für das Gegenteil der hochgelobten dualen Karriere?
Es ist zumindest im Gruppenbereich nicht möglich, weil da ja sechs Mädchen immer die gleichen Trainingszeiten haben müssen. Hier ist ein gemeinsames Training von bis zu 40 Stunden die Woche notwendig, zumindest vor Wettkämpfen. Vier harte Jahre Olympiavorbereitung sind notwendig.
Wird das Training mit erwachsenen Sportlerinnen schwieriger?
Ganz und gar nicht, wir haben ja jetzt eher das Problem, dass wir in dem Altersbereich sind, wo sie durch die Pubertät gehen. Es ist eigentlich viel einfacher zu trainieren, wenn sie sich schon selbstbestimmt weiterentwickelt haben und dann wissen, was sie wollen und auch mitreden können, auf Augenhöhe mit den Trainern.
Im letzten Jahr mussten die Trainerinnen Karina Pfennig und Galina Krilenko gehen. Gymnastinnen hatten schwere Vorwürfe, unter anderem der Körperverletzung, zur Anzeige gebracht. Was hat sich im Trainingszentrum Fellbach-Schmiden geändert?
Wir haben vieles deutlich verbessert, von der Schulsituation bis zur trainingswissenschaftlichen Steuerung. Alle mussten einen Verhaltenskodex unterschreiben. Da ist nun ein Riesen-Team beschäftigt und infolgedessen gehe ich davon aus, dass solche Dinge nicht mehr passieren können.
Die Entwicklungen sind durch mutige Aussagen von Gymnastinnen ausgelöst worden, heißen Sie diese im Rückblick gut?
Ja, sicherlich, wenn die Aussagen nicht gekommen wären, hätten wir das System nicht optimiert.
Seit Februar zeichnet Katja Kleinveldt als Teamchefin für die Rhythmische Sportgymnastik im Leistungszentrum Fellbach-Schmiden verantwortlich. Sie hat bereits in Japan und Südafrika als Trainerin gearbeitet und ist auch Verbandstrainerin in Berlin.
Mit Natalia Raskina haben die Einzelgymnastinnen eine neue Trainerin, die wie ihre Vorgängerin Krilenko aus Weißrussland stammt. Was schätzen Sie an ihr?
Frau Raskina ist eine sehr erfahrene Trainerin, die schon in mehreren Ländern erfolgreich gearbeitet hat, die nicht so gut sind wie Deutschland. Sie ist nicht jemand, der aus dem Ex-Sowjetunion-System kommt und nicht versteht, dass es in anderen Ländern anders läuft. Sie ist eine sehr ruhige, bedachte Frau, sehr professionell, und sie hat sehr viel technisches Wissen.
Sie sind promovierte Medizinerin und haben sich auf den Trainerjob eingelassen. Warum?
Ich arbeite gerne mit Kindern und Jugendlichen zusammen, ich finde die Sportart wunderschön und wäre als Ärztin wahrscheinlich irgendwann in der Sportmedizin gelandet. Dann hätte ich wohl versuchen müssen, die Gymnastinnen zu flicken, die andere Trainer kaputt gemacht haben. Da bin ich halt lieber präventiv tätig. Ich bin der Meinung, die Rhythmische Sportgymnastik ist eine Sportart, die im Breitensport gesundheitsfördernd sein kann und im Leistungssportbereich nicht schädlich sein muss – und da bringe ich mich als Trainerin besser ein.
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