Die österreichische Band Wanda: Ich sauf einen Pistolenlauf

Die Rampensäue von Wanda können auch zärtlich sein. Das zeigen sie bei ihrem Konzert in Potsdam. Wild, barsch und doch liebenswürdig. Amore!

Der Sänger der Band Wanda steht an einem Mikrofon im Schweinwerferlicht

Rampensau: Sänger Michael Marco Fitzthum – hier bei einem Auftritt im April in Frankfurt. Foto: imago/Future Image

Marco Michael Wanda schenkt einem Zuschauer eine Schachtel Zigaretten. Später regnet es von überall Zigaretten auf die Bühne. Beim Lied „Ich will Schnaps“ wirft er sich in die Menge und gleitet über die Hände der Fans bis zur Bar, um sich dort einen Schnaps zu bestellen.

Das Publikum liebt die österreichische Band Wanda. Und sie liebt zurück – Amore, wie die Band sagen würde und wie sie auch ihr Debütalbum im Jahr 2014 nannte. Es hat Anfang August Platin erhalten, wurde also über 200.000 Mal verkauft. Ihr zweites Album „Bussi“ erscheint am 2. Oktober – nun nicht mehr beim kleinen österreichischen Label Problembär Records, sondern beim Major Universal. Zwei der neuen Stücke, „Meine beiden Schwestern“ und „1, 2, 3, 4“, spielen sie schon auf ihrer Tour. Das Konzert am vergangenen Samstag im Waschhaus in Potsdam ist ausverkauft, das Publikum singt begeistert mit.

„Prost!“, ruft Marco, der mit bürgerlichem Namen Michael Marco Fitzthum heißt, ihm zu und trinkt Wein. Sein Jeanshemd ist offen, in seiner Hose klaffen Löcher an den Knien und am Gesäß. Er kreist lasziv seine Hüften, dreht sich mit ausgestreckten Armen im Kreis, klatscht wie beim Flamenco neben seinem Kopf in die Hände. Immer wieder lässt er sich auf den Boden fallen. Dazu plärrt er seine Texte im Wiener Dialekt: „Wannst bsoffen wirst, redst immer nur von ihr!“ Wild, barsch und dennoch liebenswürdig singt er zu einer Mischung aus Indierock und Country.

Die andere Rampensau des Quintetts ist der Bassist Reinhold Weber. Breitbeinig tanzt er sich in Ekstase, singt mit Zigarette im Mund, lässt seine Gitarre hin und her schaukeln, bindet sich sein Handtuch um den Kopf. Auch die anderen spielen wie in Trance. Der Schweiß läuft ihnen herunter, ihr Blick ist leicht verschleiert. „Ich sauf keinen Schnaps, ich sauf einen Pistolenlauf!“, singen sie im Chor. Die Euphorie überträgt sich auf den Saal. Die Konzertgäste zwischen zwanzig und sechzig hüpfen, kreischen und singen davon, dass sie mit ihren Cousinen schlafen wollen und eine Luzia ihnen wehtun soll.

Zynischer und schalkhafter Humor

Dass die Band auch weniger derb kann, zeigt die jazzige Soul-Einlage von „Schickt mir die Post“ mit Christian Hummer am Keyboard. Später trommelt der Schlagzeuger Lukas Hasitschka afrikanisch anmutende Rhythmen. Die Wiener Band hat sich 2012 gegründet. Ihre Heimat spielt für sie eine große Rolle. Benannt haben sie sich nach der Wiener Zuhälterin Wanda Kuchwalek, der Wilden Wanda. Der zynische und schalkhafte Humor à la Wiener Schmäh dringt durch ihre Songs: „Sterben wirst du leider in Wien, da g’hörst du hin.“

Trotzdem ist es unfair, sie nur mit anderen österreichischen Künstlern zu vergleichen. Immer wieder fallen die Namen von Stars aus den 80er Jahren wie Falco und heutigen Bands wie Bilderbuch. Von einem Hype, gar einer Renaissance des Austro-Pop ist die Rede. Dieser Begriff reduziert Wanda jedoch auf ihre Herkunft und sagt nichts über ihre Musik aus. Selbst bezeichnen sie ihren Stil etwas selbstironisch als „Popmusik mit Amore“. Ihre Liebe zu Italien wird in ihrem berühmtesten Lied „Bologna“ deutlich: „Wenn jemand fragt, wohin du gehst, sag nach Bologna! Wenn jemand fragt, wofür du stehst, sag für Amore!“

Das Magazin The Gap und der Blog Walzerkönig werfen der Band eine Tendenz zum Sexismus vor. Frauen seien bei ihnen bloß Lustobjekte und leicht verfügbar. Wanda bestreitet die Vorwürfe, frauenfeindlich zu sein.

Beim Konzert fordern sie nach Männern und Frauen auch Transgender-Menschen auf, die Liedzeile „Ans, zwa, drei, vier, es ist so schön bei dir!“ nachzusingen. Gerne sind sie zärtlich: Marco gibt dem Gitarristen Manuel Christoph Poppe ein Bussi auf den Mund.

Lust ist ein durchgängiges Thema in beiden Alben, das Laster im Allgemeinen, der Rausch, das Leben im Moment, Liebe, Tod, Enttäuschung. Zuneigung ist ihr Markenzeichen. Am Ende verschenken sie alles, was sie entbehren können: Bier, Wasser, Drumsticks und die zerknüllte Liste der Songs.

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