: Taifun überrennt Holzhütte
BUNDESLIGA Beim 4:0-Sieg über Mönchengladbach präsentiert sich Borussia Dortmund kompakter als in der vergangenen Saison. Die Konkurrenz vom Niederrhein erlebt derweil ein Déjà-vu
Aus Dortmund Daniel Theweleit
Diese neue Zuversicht fühlt sich wunderbar an für alle Dortmunder Fans, die am Samstagabend den 4:0-Heimsieg ihres BVB über Borussia Mönchengladbach sahen.
Ein erfahrener Spieler wie Mats Hummels empfindet die Zuversicht allerdings auch als gefährlich. In der vorigen Saison hatte er „nach dem dritten Spiel das Gefühl gehabt, dass alles geht, und dann ging gar nichts mehr“, erinnert sich der Kapitän an den Beginn der letztjährigen Krise. Die Partie, die jetzt so souverän gewonnen wurde, sei schließlich nur ein einziges Bundesligaspiel gewesen, noch dazu ganz früh in der Saison.
Aber die an diesem Abend im Dortmunder Stadion erlebte Mischung aus Selbstvertrauen, Talent und einem erkennbar neuen fußballerischen Plan, den man dem neuen Trainer verdankt, strahlen eine machtvolle Potenz aus, an der das Dortmunder Publikum sich genussvoll berauschte. „Als ich zusammen mit Marco Reus den Platz verlassen habe, hatte ich Gänsehaut“, sagte Pierre-Emerick Aubameyang. „Von so einer Atmosphäre träumt man als Kind, das ist einfach großartig.“
Es war ein denkwürdiger Moment, der jenseits aller Vorsicht aber durchaus Hinweise auf die Zukunft enthielt. Zwar ist noch unklar, ob die deutlich verbesserte Dortmunder Effizienz vor dem Tor bewahrt werden kann oder ob ein Spieler wie Henrikh Mkhitaryan, der zwei Treffer beisteuerte (33. und 50. Minute), irgendwann doch wieder seinem Hang zum Selbstzweifel verfällt.
Andere Elemente des neuen BVB werden das fußballerische Repertoire aber zweifellos nachhaltig bereichern: Das Team spielt nicht mehr so bedingungslos nach vorne, das rasend schnelle Umschaltspiel der Ära des Jürgen Klopp, das oft mit viel Risiko und einer entsprechend hohen Fehlerquote korrespondierte, ist unter dem neuen Trainer Tuchel einer kontrollierteren Spielweise gewichen.
So reduzierten die Dortmunder immer wieder nach Balleroberungen das Tempo, spielten Rückpässe, waren um Kontrolle des Spiels bemüht. Sowohl das 1:0 durch Marco Reus (15. Minute) als auch Pierre-Emerick Aubameyangs 2:0 (21.) fiel als Ergebnis langer Kombinationen. Das wiegt umso schwerer, als die Mönchengladbacher genug Zeit hatten, sich zu organisieren – und der BVB dennoch zuschlug.
Zuletzt hatten die Dortmunder gerade gegen solch tief stehende Teams große Probleme, die Lücken zu finden, die sie für Torerfolge hätten nutzen können. Das deutlich verfeinerte Kombinationsspiel erleichtert nun das Knacken kompakter gegnerischer Abwehrformationen. „Wir haben sehr viele Spieler mit einer sehr hohen Passgenauigkeit“, sagte Sportdirektor Michael Zorc. Diese Profis wissen, so kann man für die neue Saison vermuten, auch ein bisschen genauer, wohin sie ihre genauen Pässe spielen sollen.
Diese Erkenntnis nach dem Gladbach-Spiel hatte natürlich auch Tuchel gefallen, der jedoch einen anderen Aspekt in den Mittelpunkt seiner Analyse stellte. Der Trainer freute sich besonders über die Mentalität seiner Mannschaft. Die Spieler hätten „diese Woche noch mal eine Schippe draufgelegt in der Schärfe, in der sie trainiert haben“.
Natürlich weiß Thomas Tuchel ganz genau, dass ein gefährlicher Hang zur kleinen Nachlässigkeit eines der großen Probleme der vorigen Saison war. Und personell hat sich ja vergleichsweise wenig verändert bei den Dortmundern. Von den Neuzugängen kamen am Samstag nur der großartige Julian Weigl und Torhüter Roman Bürki zum Einsatz.
Also lobte Tuchel, dass sein Team auch nach der klaren Führung „weiter das Tempo hoch gehalten“ hat, dass seine Spieler „weiterhin die kleinen Zeichen gesetzt, die kleinen Schritte in den Zweikämpfen gemacht und bis zum Ende des Spiels keinen Millimeter hergegeben haben“.
Aus diesen Zutaten entstand eine hoch attraktive und mitreißende Spielweise, der die Gladbacher nur zehn Minuten lang etwas entgegenzusetzen hatten. Danach brach die vor der Saison noch hoch gehandelte Mannschaft von Lucien Favre zusammen, als wäre sie eine morsche Hütte, die einem Taifun ausgesetzt ist.
Entsprechend angeschlagen und desillusioniert wirkte Favre nach dem Spiel. „Unsere gesamten Mannschaft hatte große Probleme mit diesem Tempo hier“, sagte der Trainer. Es scheint, als hätten die Klubwechsel von Max Kruse und Christoph Kramer tiefere Wunden hinterlassen, als viele dachten. Sportdirektor Max Eberl fühlte sich an Erkenntnisse erinnert, die er bei früheren Spielzeiten gewonnen hatte: „Es ist so ähnlich wie vor drei Jahren, da waren wir Vierter geworden und mussten auch eine neue Mannschaft aufbauen“. Das hatte seinerzeit fast die ganze Saison gedauert.
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