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Silicon Valley in Dortmund

SMARTPHONE Vor allem Regionalzeitungen suchen nach Ideen für die Zukunft. Die „Ruhr Nachrichten“ könnten jetzt eine gefunden haben – mithilfe einer BVB-Fan-App

„Wir scannen alles“: Philipp Ostrop bei der Arbeit Foto: Daniel Bouhs

von Daniel Bouhs

Philipp Ostrop hat gleich zugeschlagen: Für sein neues Projekt hat er sich nicht nur die Internetadresse buzz09.de gesichert, sondern auch gleich noch buzz04.de, dazu buzz05.de und FCbuzz.de. Adressen auf Vorrat also. Man weiß ja nie.

„Buzz“, das heißt im Digitalsprech so viel wie „Welches Thema brummt gerade“. 04, 05, 09 und der FC – ja, es geht um Fußball-Vereine. Was tut sich also beim BVB, was bei den Mainzern, was auf Schalke und was bei den Bayern? Ostrop will Fußball-Fans versorgen, erst mal des BVB.

„Wir versuchen, ein Produkt auf den Markt zu bringen, wie das ein Start-up oder ein digitaler Konkurrent tun würde“, sagt Ostrop. Die Idee: „Für den Fan ist doch fast egal, ob die Nachricht von uns kommt oder von jemand anderem.“ Also hat Ostrop mit seinen Kollegen eine App konzipiert, in der zwar viel von den Ruhr Nachrichten über den Klub vor Ort, den BVB, drinsteht, aber die Zeitung nicht groß draufsteht. Der Verlag hält sich möglichst dezent im Hintergrund, damit das eher biedere Image nicht abschreckt.

„Wir scannen alles“, sagt Ostrop, „was die Spieler und Funktionäre auf ihren So­cial-Media-Kanälen machen, was die Agenturen tickern, was unsere Sportredaktion schreibt, aber auch, was andere Medien berichten – die Kollegen von Bild oder vom Kicker. „Vor allem Letzteres wäre vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen: Journalisten lebten in einer kleinen, auf ihren Verlag beschränkten Welt. „Der Fan ist eben fanatisch – er will alles bekommen, und das wollen wir ihm liefern.“ Für manch einen Zeitungsmacher ist das neu: Er muss sich als Dienstleister verstehen, als Kurator denn als Einzelgänger. „Auf unserer Internetseite hat sich da auch nichts geändert“, sagt Ostrop. „In der App schon.“

Um den „Buzz“ herauszufiltern, scannt die Redaktion aber vor allem digitale Kanäle. Ostrop sagt: „Eigentlich reicht uns fast das Social-Media-Monitoring.“ Dort, im Netz, bekämen sie „fast alles früh mit“. Werden aus den beiden BVB-Berichterstattern der Zeitung jetzt also Schreibtischtäter? „Nein“, sagt Ostrop. „Im Gegenteil: Im Zweifel müssen auch die noch mehr draußen sein, um die App besser zu füttern.“

In der Praxis sieht das dann unter anderem so aus: Wer will, kann sich nun quasi jede Mikrobewegung der Spieler aufs Handy pushen lassen – „Spieler beim Training angekommen“.Tatsächlich revolutionär und zukunftsträchtig ist vor allem eine zweite, sehr versteckte Funktion der App: Sie erkennt automatisch, ob das Smartphone auf Deutsch oder auf Englisch läuft und spielt die Nachrichtenhäppchen entsprechend aus, die sehr bewusst an das Gewusel bei Face­book und Co. erinnern. „Fußballvereine wie der BVB haben unglaublich viele Fans im Ausland“, sagt Ostrop. „Dieses Potenzial wollen wir heben.“

Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen: Die Regionalzeitung aus Dortmund bedient jetzt Leser in aller Welt – und das, weil eine Redakteurin, die BVB-Fan ist und besonders gut Englisch spricht, mal eben auf ihrem persönlichen Twitter-Account @SanBorussia damit begann und prompt Zehntausende Fans für sich gewonnen hat.

Geld verlangt die Zeitung für ihre neue App bislang nicht. Man wolle sie „erst mal zum Fliegen bringen“, heißt es in Dortmund, womit wohl gemeint ist: Erst mal sollen zu den bisherigen einigen zehntausend möglichst viele weitere Fans von dem Projekt überzeugt und dann irgendwann Werbung integriert werden – so, wie es viele Start-ups aus dem Silicon Valley vorgemacht haben.

In Dortmund herrscht nun ebenfalls so etwas wie Gründerstimmung.

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