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Eine Großmacht wankt

DRAMA Chinas Börsenabstürze beeinflussen die Weltkonjunktur zwar massiv, gefährlicher ist aber das Patt in Pekings politischer Führung

Chinas Wirtschaft wird dominiert von ineffizienten Staatsunternehmen. Für den Mittelstand bleibt kein Platz

von Felix Lee

Was für Dramen, die sich in den letzten Wochen in China abgespielt haben! Völlig überraschend hob die chinesische Zentralbank Anfang August zunächst die Dollarbindung auf. Innerhalb von drei Tagen verlor die heimische Währung Yuan um mehr als 4 Prozent an Wert.

Das sorgte weltweit für Aufregung; Die Aktienmärkte spielen seitdem verrückt, der Ölpreis rutscht immer weiter in den Keller. Nicht zuletzt mit den Börsenabstürzen erhärtet sich der Eindruck: Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt legt derzeit eine sehr viel härtere Landung hin als die chinesische Führung offiziell zuzugeben bereit ist.

Hinzu kamen vor zwei Wochen die schweren Explosionen im ostchinesischen Tianjin. Ausgerechnet in der hochmodernen Hafenanlage der 15-Millionen-Einwohner-Metropole versagten die Sicherheitsvorkehrungen. Der Feuerschwall kostete mindestens 145 Menschen das Leben. Wie sich inzwischen herausstellt: Ein übles Gemisch aus Vetternwirtschaft, Korruption und Vertuschung hat die Katastrophe ausgelöst.

Zwei Anlässe, die an und für sich nichts miteinander zu tun haben, aber eins aufzeigen: Eine Großmacht hat ihre Probleme nicht mehr in Griff.

Tatsächlich schwächt sich das Wachstum immer weiter ab, der Export ist eingebrochen. Geld fließt aus dem Land. Schon werden Zweifel laut, ob China in diesem Jahr wenigstens das selbst gesteckte Wachstumsziel von 7 Prozent erreichen wird.

Für ein Schwellenland wie China mit nach wie vor einer halben Mil­liarde Menschen, die bei der wirtschaftlichen Erfolgsstory der vergangenen drei Jahrzehnte nicht mitreden können (bei einer Gesamtbevölkerungszahl von 1,3 Milliarden), wäre das deutlich zu wenig.

Die finanziellen Verluste des Börsenkrachs von Anfang Juli dürften den Abwärtstrend verstärkt haben, sind aber nicht das eigentliche Pro­blem. Viel gravierender sind die politischen Folgen. Chinas Wirtschaft wird dominiert von großen Staatsunternehmen. Sie sind aufgeblasen und ineffizient, weil sie kaum dem Wettbewerb ausgesetzt sind.

Geraten sie in Schieflage, werden ihre Verluste von der Zentralregierung aufgefangen. Das reißt nicht nur immer größere Löcher in den Staatshaushalt, sondern verhindert auch, dass ein gesunder Mittelstand entsteht, der auf eigenen Beinen steht.

Die Staatsunternehmen hingegen werden innerhalb der chinesischen Führung von mächtigen Parteisekretären vertreten, die auch in anderen politischen Fragen zu den Hardlinern gehören. Der liberale Flügel um Premierminister Li Keqiang wollte mit dieser Praxis aufräumen.

Um diese mächtigen Staatsunternehmen stärker den Marktmechanismen auszusetzen, zwang Li sie vor einem Jahr zum Börsengang. Parallel dazu ermutigte er die Bürger, ihr Vermögen an den heimischen Börsen zu investieren.

Li hoffte, auf diese Weise könnte er nicht nur die Staatsunternehmen bändigen, sondern auch die schwächelnde Wirtschaft beleben.

Mit den jüngsten Turbulenzen ist dieses Ansinnen aber kläglich gescheitert.

Um noch heftigere Kursabstürze zu verhindern, sieht sich die Staatsführung gezwungen, immer wieder mit massiven Stützungskäufen einzugreifen oder Papiere komplett aus dem Handel zu nehmen. Damit untergräbt sie aber nicht nur ihr eigenes Projekt, sondern verspielt auch das Vertrauen der Anleger.

Die Hardliner, die an ihren Privilegien festhalten wollen und deshalb Li Keqiangs wirtschaftliche und politische Reformen bekämpfen, sehen sich bestätigt.

Allerdings haben auch sie keine Lösungen parat für die anstehenden Probleme.

China droht der Stillstand. Genau dieser Mangel an Reformbereitschaft stellt denn auch die eigentliche Gefahr für das Land und damit auch für den Rest der Welt dar.

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