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Mutmaßlicher Mörder von Virginia hinterlässt Manifest

USA Vester Flanagan stellt seine Tat in den Kontext von Rassismus und nennt sich ein „Pulverfass“

Erinnerung an die Opfer von Roanoke, Virginia Foto: Chris Keane/ reuters

NEW YORK taz | Nach den tödlichen Schüssen auf zwei Journalisten während eines Liveinterviews auf dem Fernsehsender WDBJ hat Präsident Barack Obama darauf hingewiesen, dass die Schusswaffengewalt mehr Menschenleben koste als der Terrorismus. Doch vor Ort, in Virginia, wo Reporterin Alison Parker und Kameramann Adam Ward am frühen Mittwochmorgen von einem ehemaligen Kollegen ermordet wurden, konzentrieren sich ihre KollegInnen darauf, das Leben und die Arbeit der Toten zu feiern.

Dabei beschreiben sie ein ums andere Mal die noch jungen Liebesgeschichten der beiden Toten. Auf die rund 310 Schusswaffen in Privatbesitz in den USA, auf die laut Verfassung jedeR BürgerIn Anspruch hat, gehen sie nicht ein. Nur die Gouverneurin von Virginia, Terry McAuliffe, forderte Backgroundchecks bei Waffengeschäften in dem Bundesstaat. Bislang scheiterte diese Forderung jedes Mal an den Abgeordneten in Richmond. Virginia ist eine Hochburg der Rüstungslobby.

Die 24-jährige Alison Parker war am Mittwoch mit dem Ü-Wagen unterwegs. Sie führte ein Interview über den Tourismus rund um Roanoke, als die ersten Schüsse fielen. Die junge Frau schrie und versuchte, zu fliehen. Ihr Kollege ließ seine Kamera fallen. Dabei nahm diese den schwarz gekleideten Schützen auf, der die Reporterin und den Kameramann aus nächster Nähe ermordete und deren Interviewpartnerin er verletzte.

Stunden später erschoss sich der mutmaßliche Schütze. Zuvor schickte er ein 23-seitiges „Manifest“ zur „Erklärung“ seiner Tat an den Fernsehsender ABC. Vester Flanagan, alias Bryce Williams, gab seinem Verbrechen in dem „Manifest“ eine Dimension von schwarz gegen weiß. Er schrieb, er sei als Afroamerikaner und als Homosexueller diskriminiert worden. Er warf Reporterin Parker Rassismus vor. Und er beschrieb sich selbst als „Pulverfass“.

Den letzten Auslöser für seine Tat habe, so Flanagan, der Massenmord eines weißen Rassisten an neun schwarzen Gläubigen in einer Kirche in Charleston im Juni gegeben. Zwei Tage später habe er sich mit den Waffen versorgt, die er am Mittwoch benutzte. Flanagan filmte außerdem seine Morde. Die beiden Filme, die er nach dem Verbrechen ins Internet stellte, sind dort inzwischen gelöscht.

Der mutmaßliche Täter war selbst ein Fernsehreporter, der für zahlreiche Stationen der USA gearbeitet hat. Der Sender WDBJ entließ ihn vor zwei Jahren. Flanagan weigerte sich damals, das Büro zu verlassen und wurde hinausgetragen. Sein ehemaliger Chef, Manager Jeffrey Marks, bezeichnet ihn als „wütenden“ und „unglücklichen Mann“. Die in Virginia ansässige größte Lobbyorganisation der Schusswaffenfreunde in den USA, die National Rifles Association (NRA), erklärt bislang nach jeder tödlichen Schießerei, wenn die Opfer Waffen getragen hätten, wäre es nicht passiert. Bislang schweigt sie noch zu der Schießerei in ihrem Bundesstaat. Dorothea Hahn

Obama: Schusswaffengewalt fordert mehr Opfer als der Terrorismus

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