piwik no script img

Das kleine Dollarzeichen

Frauenfussball Mit Bayern München vs. Turbine Potsdam beginnt heute die Bundesliga. Die Kluft zwischen Ablegern von Männerklubs und reinen Frauenvereinen wächst

von Frank Hellmann

Thomas Wörle ist keiner, der gerne große Töne spuckt. Insofern dürfte es dem Trainer des FC Bayern gar nicht so recht gewesen sein, dass er am vergangenen Montag im Sitzungssaal der DFB-Zentrale zur Eröffnungsveranstaltung der Frauen-Bundesliga auf die Bühne gebeten wurde, um gemeinsam mit dem Kollegen Willi Breuer vom 1. FC Köln zu fast 200 ZuhörerInnen zu sprechen. Darunter alles, was im deutschen Frauenfußball Rang und Namen hat. Der 33-Jährige, der vor fünf Jahren seine eigene Profikarriere verletzungsbedingt beenden musste und das Erbe seines Vaters Günther bei den damals im Gesamtverein noch ziemlich unbeachteten FCB-Fußballerinnen antrat, hat dabei erneut betont, dass die Meisterschaft „zwar nicht unverdient, aber auch ein Stück weit glücklich“ zustande gekommen sei. Und er die Liga als „stark wie nie“ einstufe.

Wörle verortet sein Ensemble mit den deutschen Nationalspielerinnen Melanie Behringer, Lena Lotzen, Melanie Leupolz, Leonie Maier und neuerdings Sara Däbritz unter den „großen vier“. Dazu gehören ansonsten noch der Champions-­League-Sieger 1. FFC Frankfurt, Pokalsieger VfL Wolfsburg und Turbine Potsdam, in den vergangenen zehn Jahren immerhin fünfmal Meister. „Mehr Favoriten als Titel“ habe der deutsche Frauenfußball zu bieten, merkt Bundestrainerin Silvia Neid an.

Die 51-Jährige wird heute im Stadion an der Grünwalder Straße sein, wenn die Bayern gegen Potsdam die Eröffnungspartie bestreiten (18 Uhr/live auf Eurosport). Topfavorit bleibt der VfL Wolfsburg, in jüngerer Vergangenheit zum Trendsetter aufgestiegen. „Wolfsburg ist sicherlich weit weg von allen anderen Vereinen, allein vom Budget her“, betont Wörle. Wie zum Beleg haben die Niedersachsen am Donnerstag auch noch die Schweizerin Ramona Bachmann (Rosengard) verpflichtet, nachdem zuvor aus Lyon bereits die Eidgenossin Lara Dickenmann und die Französin Elise Bus­saglia gelockt wurden. Ralf Kellermann, Trainer und sportlicher Leiter, freut sich im Fall von Bachmann auf „eine der besten Offensivspielerinnen der Welt“.

So wächst in Potsdam wie in Frankfurt die Sorge, dass die klassischen Frauenvereine, die sich mühsam für ein professionelles Ambiente einsetzen, im Konkurrenzkampf mit den Ablegern der Lizenzvereine auf der Strecke bleiben. Mit den Aufsteigern 1. FC Köln und Werder Bremen genießen sieben von zwölf Klubs die infrastrukturellen Vorteile des Konstrukts. Und wie gut das auch imagetechnisch kommen kann, war ja gerade erst in München zu besichtigen gewesen, als Männer und Frauen gemeinsam ihre Meisterschalen auf dem Marienplatz vorzeigten.

Seitdem erkennt auch Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge den Wert, das weibliche Segment zu fördern, wo noch „das kleine und nicht das große Dollarzeichen regiert“ (DFB-Vizepräsidentin Hannelore Ratzeburg). Der durchschnittliche Etat eines Frauen-Bundesligisten liegt bisher noch bei einer Million Euro – aber dabei wird es nicht bleiben.

Potsdams Präsident Rolf Kutzmutz siedelt das Investment der Männer-Profiklubs irgendwo zwischen Bereicherung und Bedrohung an: „Ein Bruchteil des Budgets von den Männern reicht aus, um bei den Frauen Erfolge zu feiern.“ Frankfurts Manager Siegfried Dietrich registriert, dass die von ihm aufgebrachten 1,8 Millionen Euro Jahresetat nicht mehr die Messlatte bedeuten. „International geben Klubs wie Olympique Lyon und Paris St. Germain das Doppelte und Dreifache aus. Das sind die Fakten.“

Sieben von zwölf Klubs sind Ableger von Profivereinen der Männer

Belegt ist auch, dass wichtige Ligavertreter mit dem Abschneiden der Frauen-Nationalmannschaft bei der WM in Kanada – Platz vier – unzufrieden waren. Kräfte wie Dzsenifer Marozsan, Alexandra Popp, Babett Peter, Jennifer Cramer oder Lena Lotzen kehrten zudem vom Abnutzungskampf auf Kunstrasen mit langwierigen Folgeverletzungen zurück. Wer trägt welche Verantwortung wofür? Diese Kardinalfrage ist noch längst nicht geklärt.

Zwar gab es ein vom DFB vermitteltes Versöhnungsgespräch zwischen Neid und ihrem Hauptkritiker Colin Bell (Frankfurt), der es gewagt hatte, auch Personalentscheidungen und Spielstil der Bundestrainerin anzuprangern. Der eine oder andere Kollege wartet indes noch auf eine erhellende Unterredung, in denen die Erklärung über das hinausgeht, was Neid aus ihrer laufenden WM-Analyse Anfang der Woche vortrug (“bewegen uns im letzten Angriffsdrittel nicht gut, haben keine Präzision im Abschluss, nur wer Tore schießt, kann ganz oben stehen“).

Vor allem Potsdams Urgestein Bernd Schröder – seit jeher einer der größten Neid-Kritiker – gefällt die bisher getätigte Aufarbeitung noch nicht, weil ihm der selbstkritische Ansatz der Verantwortlichen fehlt. „Bei der WM hätte man definitiv mehr herausholen können“, sagt der 73-Jährige, der nach dieser Saison in den Ruhestand wechseln will. Seine Hoffnung: „Alle müssen begreifen, dass wir nur mit einer vernünftigen Streitkultur weiterkommen. Der Wert des Widerspruchs muss auch im Frauenfußball anerkannt werden.“ Meistertrainer Wörle will zur vertrackten Causa übrigens keinen Kommentar abgeben. „Ich pflege meine Meinung intern anzubringen.“ So macht man sich im Frauenfußball nämlich keine Feinde.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen