Nachschlag aus der Reserve: Flüchtlinge kriegen den Rest
Eine halbe Milliarde Euro zusätzlich steckt Hamburg dieses und nächstes Jahr in Unterbringung und Integration von Flüchtlingen.
Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) hat die Luft aus dem Hamburger Haushalt gelassen. Um die durch die vielen Flüchtlinge entstehenden Mehrausgaben in Höhe von über einer halben Milliarde Euro zu finanzieren, löst der Senat Rücklagen auf, bedient sich aus unverbrauchten Haushaltsresten und verwendet zudem das Geld, das wegen der anhaltenden Niedrigzinsen bei der Tilgung der städtischen Schulden gespart wurde. Insgesamt rund 501 Millionen Euro kratzt Tschentscher so für das laufende und das kommende Jahr zusammen: Geld für Flüchtlingsunterbringung, Sprachunterricht, Betreuung, Bildung, Sozialausgaben und vieles mehr.
Knapp 240 Millionen Nachschlag aus den Resten und Reserven gibt es in diesem, gut 260 Millionen im kommenden Jahr. Bereits 2014 hatte der Senat die Mittel für Flüchtlinge auf 300 Millionen Euro pro Jahr erhöht. Zusammen mit den bereits im vergangenen Juni beschlossenen 67,6 Millionen Euro für dringende Investitionen bedeuten die 240-Zusatzmillionen eine erneute Ausgabenverdoppelung auf nun rund 600 Millionen in diesem Jahr. Zwar hat die Bürgerschaft, der die entsprechende Drucksache am Mittwoch zugeleitet wurde, das letzte Wort. Doch hier rechne er „mit breiter Zustimmung“, sagte Tschentscher.
Zwar darf Hamburg laut Haushaltsrahmengesetz seine Ausgaben trotz sprudelnder Steuereinnahmen nicht weiter erhöhen, doch die gute konjunkturelle Entwicklung samt robustem Arbeitsmarkt und historischem Zinstief führen dazu, dass viele beschlossene Ausgaben derzeit gar nicht getätigt werden müssen. „Wir machen keine neuen Schulden für die Flüchtlinge“, betont Tschentscher. „Wir kürzen auch nicht für Flüchtlinge“, ergänzt Farid Müller, haushaltspolitischer Sprecher des grünen Koalitionspartners.
Bei ihren Prognosen gehen die Haushälter davon aus, dass die derzeit hohen Flüchtlingszahlen weder zurückgehen noch erneut sprunghaft ansteigen. Sollte es zu einer erneuten Verdopplung der Asylsuchenden wie in diesem Jahr kommen, wird die Finanzbehörde 2016 erneut Mehrausgaben in dreifacher Millionenhöhe freigeben müssen – vorausgesetzt der Bund springt nicht ein. „Die Bundesregierung muss endlich ihre Verantwortung wahrnehmen und sich ganz anders an der Unterbringung und Integration der Flüchtlinge beteiligen“, fordert deshalb Farid Müller.
Damit Hamburg in Zukunft größere finanzielle Spielräume hat, deutete Tschentscher erstmals an, das Finanzrahmengesetz, das nur jährliche Mehrausgaben von unter einem Prozent erlaubt, demnächst an die Realität anzupassen. Im Klartext heißt das: Da die jährlichen Steuermehreinnahmen zuletzt stets üppig ausfielen, könnte auch die Grenze für Mehrausgaben leicht nach oben korrigiert werden.
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