„Den Kopf freibekommen“

Open Air Mads Brauer, Rasmus Stolberg und Casper Clausen bilden das dänische Trio Efterklang und stürzen sich mit ihrem Festival „By the Lake“ in der Freilichtbühne in Weißensee mutig in den Berliner Musiksommer

Auch Liima spielen auf „By the Lake“ (v. l. n. r.): Rasmus Stolberg, Tatu Rönkkö, Casper Clausen, Mads Brauer Foto: Aylin Gungor

Interview Jens Uthoff

Das dänische Trio Efterklang kuratiert in seiner Wahlheimat Berlin ein neues Festival – an der Freilichtbühne in Weißensee. „By the Lake“ heißt es, und es hat nicht nur mit einem See, sondern auch mit einem Radiosender zu tun.

taz: Mit „By the Lake“ rufen Sie ein weiteres Festival in Berlin ins Leben – bei einem ohnehin schon vollen Festivalkalender. Warum?

Mads Brauer: Ja, das mag ein bisschen verrückt klingen, wenn man daran denkt, wie viele Musikevents es in Berlin bereits gibt. Aber wir glauben, dass die Stadt ein Outdoor-Festival mit gemütlicher und relaxter Atmosphäre sowie einem gemischten Programm für jeden verdient hat – also nicht beschränkt auf bestimmte Genres oder Szenen.

Leben Sie in Weißensee?

Brauer: Weißensee ist in der Tat wie ein zweites Zuhause für Efterklang, denn wir haben unser Studio seit etwa fünf Jahren dort. Weißensee hat eine sehr einzigartige Atmosphäre, die sich deutlich von Kreuzberg unterscheidet, wo wir leben. Es ist ein perfekter Ort, um sich zu verstecken und zu arbeiten, da es etwas Abstand zum coolen Berlin hat. Hier herrscht eher ein Kleinstadtgefühl vor. Der Weiße See ist ein wunderbarer Ort, um den Kopf freizubekommen.

Was ist das Besondere an der Freilichtbühne?

Brauer: Es ist ein schöner, kleiner Flecken Erde, direkt am See gelegen. Die Location wirkt wie eine kleinere Version der Waldbühne. Sie wird nicht oft für Konzerte genutzt, was für eine Schande! Ich mag es sowieso, Musik draußen zu hören: Der Geruch; dann Wind, Sonne oder Regen, das alles kommt zusammen.

Wie viele Zuschauer fasst die Freilichtbühne und wie viele erwarten Sie?

Brauer: Die Kapazität liegt bei etwa 2.000 Menschen – aber bei der ersten Auflage ist es unser Ziel, dass 1.000 Besucher kommen.

Das Festival ist nicht nur nach dem realen See benannt, sondern auch nach Ihrem Internet-Radiosender The Lake, den Sie seit einem Jahr betreiben. Was verbirgt sich dahinter?

Casper Clausen: Wir wollten eine Plattform gründen für Musik und Sounds jeglicher Art; all den interessanten Musikern, Soundkünstlern, Autoren und Journalisten Raum geben, die uns beeinflussen. Jede Woche fügen wir neue Inhalte bei The Lake ein, und das Radio spuckt die Tracks nach dem Zufallsprinzip wieder aus. Wir beschäftigen uns da mit Dingen, die wir lieben; Dingen, die wir nicht verstehen, aber über die wir gern mehr erfahren würden; Dingen, von denen wir nicht wussten, dass wir sie lieben würden. Wir sind sieben Kuratoren, aber es gibt noch eine Menge Leute, die uns Inhalte liefern. Da alle Betreiber in Berlin und Kopenhagen leben, ist vieles mit diesen Städten verbunden, aber The Lake soll ein internationales Internetradio sein – wir haben Hörer und Mitwirkende an vielen unterschiedlichen Orten weltweit.

Kann man Ihr Festival ein World-­Music- oder Global- Pop-Festival nennen?

Clausen: Als wir unseren Radiosender starteten, gründeten wir ihn aus Liebe zur Musik, Neugier gegenüber verschiedensten Klängen und Arten von Musik. Wir wollten das Programm nicht definieren – genauso kategorisieren wir das Line-Up des Festivals nicht; das interessiert uns nicht. Alle auftretenden Künstler haben ein hohes künstlerisches Level, wir sind stolz, sie alle zusammenzubringen.

Das Festival By The Lake startet Samstag auf der Freilichtbühne Weißensee um 13 Uhr, Karten kosten 36 Euro. Auf dem Programm stehen der syrische Hochzeitssänger Omar Souleyman, das Folk-Experimentalduo Wildbirds & Peacedrums, das Duo Burnt Friedman + Jaki Liebezeit mit ethnischen „Geheimrhythmen“, der Improvisations-Performancekünstler Lonnie Holley und das neue Efterklang-Projekt Liima. Informationen unter www.bythelake.co. Abends folgt ab22 Uhr eine Party mit Konzert im ACUD Macht Neu.

The Lake Radio: www.the­lake­radio.com

Sie haben mit Omar Souleyman, Jaki Liebezeit/Burnt Fried­man und Liima, Ihrem gemeinsamen Projekt mit dem finnischen Perkussionisten Tatu Rönkkö, einige nicht ganz unbekannte Namen im Programm. Könnte man sagen, all diese Acts sind experimentell im weitesten Sinne?

Brauer: Das ist ein weiter Begriff. Ich glaube nicht, dass das Line-Up experimentell ist, wenn man es mit anderen Festivals wie dem ebenfalls in Weißensee ansässigen Concepts Of Doing oder Berlin Atonal vergleicht. Aber es ist ein Programm mit einer großen Bandbreite im Ausdruck – in dem Sinne wäre By the Lake experimentell.

Besonders Ende August finden viele Festivals in Berlin statt. Fürchten Sie die Konkurrenz?

Rasmus Stolberg: Wir sind uns dessen bewusst, wie riskant dieses Projekt ist, aber wir glauben daran, dass By the Lake etwas hat, das man nirgendwo anders in Berlin findet. Sonst würden wir es nicht machen.

Wird das Festival von Institutionen unterstützt?

Clausen: Wir haben erst mal ohne Förderung angefangen. Wir vertrauten auf unser Handwerk, unsere Visionen, auf Freunde und Gleichgesinnte. Aber es sind schnell andere auf das Festival aufmerksam geworden, also begannen wir uns mit anderen Institutionen auszutauschen. Wir kooperieren mit dem ACUD Macht Neu, dem Michelberger Hotel und Beats International. Die größte finanzielle Unterstützung kommt derzeit vom Roskilde Festival. Unsere Vorstellungen eines Festivals sind ähnlich – auch wenn die Größe von By the Lake und Roskilde, zu dem 80.000 Menschen kommen, nicht vergleichbar ist. Das Roskilde hat uns geprägt. Wir gingen dort schon als wir Teenager hin und haben dort mit Efterklang unvergessliche Auftritte gespielt.