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Berliner sollen mitreden

PARTIZIPATION Ende der Woche geht eine Plattform online, die alle Berliner Projekte mit Bürgerbeteiligung zusammenfassen soll. Gemeinsam mit ein paar Genossen denkt Stadtentwicklungssenator Geisel noch weiter

Bürgererfolg: Beim Volksentscheid zum Tempelhofer Feld Ende Mai 2014 votierten die BerlinerInnen gegen die Bebauung des Areals Foto: C. Ditsch

von Antje Lang-Lendorff

Der Senat will die BerlinerInnen besser über geplante Projekte informieren und stärker mitreden lassen: Voraussichtlich Ende der Woche werde eine Onlineplattform namens mein.berlin.de freigeschaltet, die alle Verfahren mit Bürgerbeteiligung bündelt, bestätigte der Sprecher der Stadtentwicklungsverwaltung, Martin Pallgen, der taz. Projekte sowohl auf Landes- als auch auf Bezirks­ebene sollen dort zusammengefasst werden. „Die Plattform ist für alle Bereiche und Fragestellungen der Berliner Verwaltung einsetzbar – von Bürgerhaushalten und Kiezkassen bis zur Meinungsbildung bei zentralen politischen Themen“, heißt es aus der Verwaltung.

Die LeserInnen sollen nicht nur einen Überblick über laufende Projekte erhalten, sondern auch Kommentare hinterlassen oder eigene Vorschläge einbringen können, ähnlich wie bei der Onlinedebatte zur historischen Mitte. Inwiefern diese Vorschläge anschließend auch in die Planungen einfließen, ist allerdings nicht geregelt.

Grundsätzlich sei mehr Transparenz bei öffentlichen Planungen immer gut, sagt der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Dirk Behrendt. Allerdings warnt er: „Wenn man nur den Eindruck erweckt, dass man Gehör findet, ist die Enttäuschung umso größer, wenn dann nichts passiert.“ Stefan Evers, stellvertretender Fraktionschef der CDU, verspricht sich von der Plattform dagegen durchaus neue Mitwirkungsmöglichkeiten. Er hatte den Senat schon vor drei Jahren aufgefordert, ein gesamtstädtisches Konzept für eine Onlinebeteiligung zu erarbeiten. „Wenn mein.berlin hält, was die Idee verspricht, dann setzt Berlin damit einen echten Meilenstein in der Onlinebürgerbeteiligung“, so Evers.

Federführend bei der Entwicklung war die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Sie hat es bei Bauvorhaben häufig mit Protesten zu tun. Insofern verwundert es nicht, dass sich der zuständige Senator, Andreas Geisel (SPD), auch im Rahmen seiner Partei Gedanken über eine frühzeitigere Bürgerbeteiligung macht. Gemeinsam mit fünf anderen Genossen hat er ein Arbeitspapier vorgelegt, das neben der Plattform auch weitergehende Vorschläge für Partizipation macht.

„Die Plattform ist für alle Bereiche der Berliner Verwaltung einsetzbar“

Martin Pallgen, Senatssprecher

Ausgangspunkt für die Überlegungen der Sozialdemokraten war offenbar ihre Unzufriedenheit mit Plebisziten und anderen Verfahren wie Bürgerhaushalten. Diese Instrumente würden „nur von bestimmten Bevölkerungsgruppen genutzt“, schreiben sie. Oft machten nur diejenigen mit, die auch im normalen politischen Prozess in der Lage gewesen wären, ihre Interessen durchzusetzen. Plebiszite seien „kein Garant für einen fairen Interessenausgleich“.

Geht es nach den Autoren, soll sich das ändern: „Die SPD will gerade den Gruppen Gehör verschaffen, die weniger gut in der Lage sind, ihre Interessen zu vertreten“, heißt es. Wie das genau gehen soll, wird aus dem Papier nicht ganz klar. BürgerInnen könnten – wie jetzt schon beim Bürgerhaushalt in Lichtenberg – repräsentativ ausgewählt werden und dann ein Verfahren begleiten, so ein Vorschlag.

Konkreter ist eine andere Idee: Für „herausgehobene öffentliche Bauvorhaben“ wollen Geisel und seine Mitstreiter die Bürgerbeteiligung institutionalisieren. Heißt: Ein allgemeingültiges Ablaufschema soll entwickelt und so die Verbindlichkeit der Mitsprache gesteigert werden. Dabei soll es nicht nur der Verwaltung, sondern auch den ­BerlinerInnen möglich sein, ein Beteiligungsverfahren auszulösen – etwa durch das Erreichen bestimmter Quoren.

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