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Erdkabel sind auch keine Lösung

ENERGIE Der Widerstand gegen neue Stromtrassen lässt nicht nach, obwohl es mehr unterirdische Kabel geben soll. Die Bürgerinitiativen sind auf die Grünen sauer

Mitstreiter einer Bürgerinitiative protestieren am Rande einer Infoveranstaltung der Firma Tennet Foto: David Ebener/dpa/picture alliance

von Ralf Hutter

BERLIN taz | Eigentlich müsste, so hatte sich die Bundesregierung Anfang Juli gedacht, die Sache mit den Stromtrassen gelöst sein. Tausende Kilometer sollen im Rahmen der Energiewende neu gebaut werden. Doch der Widerstand dagegen will einfach nicht abebben. Das zeigt derzeit die ostbayerische Oberpfalz.

Seit anderthalb Jahren dauert dort der Streit über den Bau zweier Höchstspannungsleitungen aus dem Norden und Osten in den Süden Deutschlands. Genaugenommen handelt es sich um Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung, kurz HGÜ.

Anfang Juli auf dem Berliner Energiegipfel von CDU, CSU und SPD gab es scheinbar einen Kompromiss: Die Leitungen sollten möglichst unterirdisch oder an bestehenden Masten verlaufen, um die Belastung für die Anwohner gering zu halten. Allerdings sind die bisher vor allem in Franken aktiven Bürgerinitiativen aus Prinzip gegen die Trassen. Sie wollen eine wirklich dezentrale Energiewende. Damit stehen sie nicht nur mit CSU und SPD in Konflikt, sondern pikanterweise auch mit der Grünen-Spitze.

Die Grünen-Basis ist in den betroffenen Regionen vielerorts gegen die Trassen. So auch im oberpfälzischen Landkreis Neustadt an der Waldnaab. Hier wurde soeben die erste Bürger­initiative (BI) gegen die Trasse aus Ostdeutschland gegründet, die nach einer Planungsänderung hier vorbeilaufen soll. Beteiligt ist die Kreis- und Gemeinderätin Sonja Reichold von den Grünen. „Die Basis ist geschlossen gegen die Trassen“, sagt sie über ihren Kreisverband. Im benachbarten Landkreis Tirschenreuth gebe es zumindest Unterstützung seitens der Grünen, sagt Maria Estl von der BI „Steinwald sagt nein zur Monstertrasse“.

Die Vorsitzende des dortigen Grünen-Kreisverbandes Wunsiedel sammelt Geld für eine Klage gegen die EU-Rechtslage, weil die bei Großprojekten mit ökologischer Auswirkung nicht die erforderlichen Beteiligungsrechte für die betroffene Bevölkerung vorsehe.

Der Grünen-Kreisverband Bayreuth-Land ging komplett auf Konfrontation mit der Parteispitze. Ende April kündigte er an, wegen der Leitungspolitik die Mitgliedsbeiträge nicht mehr an den Landesverband weiterzuleiten. Kreisverbandssprecher Andreas von Heßberg fürchtet, dass sich seine Partei zu sehr der Position der Indus­trie annähert.

Er stützt sich beispielsweise auf einen im Juni veröffentlichten Bericht des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung und der TU Berlin. Darin steht, dass die Versorgungssicherheit Bayerns auch nach der Abschaltung der Atomkraftwerke 2022 nicht gefährdet sei – und zwar ohne neue Leitungen. Eine Kombination aus Maßnahmen wie beispielsweise den Bau neuer Kraftwerke, Speicher, Reduktion von Lastspitzen, eine Teilversorgung im Verbund mit Österreich reiche auch aus.

„Die Grünen sind die große Enttäuschung“

Dörte Hartmann, BI Leinburg

Denn die Trassen, das legt etwa ein Vortrag von Wolf von Fabeck vom Deutschen Solarförderverein Aachen nahe, werden nicht wegen der Energiewende gebaut. Sie sind primär dafür da, um den Betreibern großer Kraftwerke im In- und Ausland einen schwungvollen Stromhandel zu ermöglichen.

Deshalb sei der Protest so groß, sagt Dörte Hamann von der BI Leinburg in mittelfränkischen Landkreis Nürnberger Land. „Die Befürchtung, dass es um Braunkohlestrom aus dem Osten geht, hat sich bewahrheitet. Die Grünen sind die große Enttäuschung“, ergänzt sie. „Die Wut in der BI ist groß.“ Im benachbarten Altdorf, wo es ebenfalls eine Initiative gibt, seien die Grünen allerdings gegen die Trassen. Hamann nennt sich Energiewendebefürworterin, aber eben nicht in der Form wie jetzt.

Warum, ist in der Stellungnahme des Bündnisses gegen die Ost-Süd-Trasse vom 2. Juli, einen Tag nach dem Berliner Energiegipfel, zu lesen. Die HGÜ-Leitungen seien als Teil der Europäischen Energieunion geplant, heißt es darin, und die sehe Atomstrom als festen Bestandteil im Energiemix vor. Die Regierungskoalition habe die erwünschte „Befriedung der Bevölkerung“ deshalb nicht erreicht.

Enttäuscht sind die Bürger­initiativen auch von der bayerischen Landesregierung, die ihren Widerstand gegen die Trassen offenbar aufgegeben hat. „Wir sind höchst alarmiert und bereit für einen Kampf gegen die Süd-Ost-Trasse, der einen langen Atem erfordert“, schreiben die BIs. Der Bundesverband der Bürgerinitiativen gegen Südlink, die andere große Trasse quer durch Deutschland, schloss sich dem an.

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