Berliner Szenen: Beim Taiwaner
Ente gut
Ja, die Kantstraße. „Berlin’s so-called Chinatown (no comment)“ schrieb der Ex-Berliner vor Kurzem. Womit er natürlich recht hat. Trotzdem herrscht hier die höchste Dichte ostasiatischer Gastronomen in der Stadt, und es sind nicht die schlechtesten. Diesmal hat mich jemand, der es wissen muss, in Lon-Men’s Noodle House geschickt.
Der kleine taiwanische Imbiss macht auch sofort Laune, angefangen damit, dass man ihn quasi durch die Küche betritt, wo es in großen Töpfen blubbert. Der Chef ist ein lustiger Mann mit silbernem Haar, ein Schnappschuss zeigt ihn mit Simon Rattle vor seinem Laden. Ich bestelle die Suppe mit Rind und beziehe eines der drei Tischchen draußen vor der Tür.
Die Blonde, die am Nachbartisch raucht, bekommt ihre Schale zuerst. „So, bitteschön, Suppe mit Ente“, sagt die Bedienung mit asiatischer Freundlichkeit, und die Blonde knarzt mit berlinischem Charme zurück: „Wir sagen hier, Ente gut, alles gut“. – „Ja“, freut sich die Angestellte, „Ente sehr gut!“
Am dritten Tisch lässt sich ein junges Paar nieder, die Frau könnte Chinesin sein, er ist mehr so biodeutsch. Eine andere Kellnerin kommt, um ihre Bestellung aufzunehmen.
„Ick hab ja heute breite Bandnudeln“, ruft plötzlich die Blonde nebenan und fuchtelt mit den Stäbchen herum. „Die glitschen doller. Sonst nehm ick ja die schmalen.“ – „Möchten Sie eine Gabel?“, fragt die Kellnerin. „Ach, jeht schon“, sagt die Blonde, „Übung macht den Meister.“
Die Kellnerin betrachtet das Pärchen, das noch überlegt: „Übung macht den Meister“, wiederholt sie versonnen, „und Liebe kennt keine Nationalität.“ „Wat is det Nationalgetränk?“, fragt die Blonde, die nicht zugehört hat, und der junge Mann korrigiert sie etwas verlegen: „Nationalität. Sie meint, Liebe überwindet Grenzen.“
So geht das immer weiter. Die Suppe ist übrigens ausgezeichnet. Claudius Prößer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen