: Das Pferdemädchen
Ortstermin Die Hengstquadrille: In Aachen zeigt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, dass sie nicht nur regieren, sondern auch reiten kann
Aus Aachen Laila Oudray
In jeder Klasse gab es sie: die Pferdenärrin. Das eine Mädchen, das total verrückt nach Pferden war, Wendy las und Freitagabend nie Zeit hatte, weil sie zum Voltigieren musste. Auch in der Bundesregierung gibt es eine Pferdefrau: Ursula von der Leyen.
Die Verteidigungsministerin hat ihre freie Zeit genutzt, um an der Auftaktveranstaltung der Reit-EM in Aachen teilzunehmen – und zwar als Reiterin in der großen Quadrille der Deutschen Landgestüte, dem Zusammenschluss der zehn Landgestüte in Deutschland.
Mit 67 anderen ReiterInnen und in der adretten roten Uniform des Landgestüts Celle – die Föhnfrisur dabei unter einem breitkrempigen Hut versteckt – reitet sie Dienstagabend im Gleichtakt durch das Stadion. Gemeinsam bilden die ReiterInnen auf Kommando verschiedene Formationen: zwei große Kreise, vier große Kreise, wieder zwei große Kreise. Immer in Bewegung, immer in Fluss. Als Finale reiten sie gemeinsam im Kreis, bilden eine Fächerform, was sogar die Nicht-Pferdenarren beeindruckt. Zum Ende stellen sich die ReiterInnen dann in einer Linie vor das Publikum und salutieren. Während der Show recken viele der 40.000 Zuschauer neugierig ihre Köpfe, wollen eine Blick auf die reitende Verteidigungsministerin erhaschen. Sie schießen Fotos, viele werden verwackelt sein.
Doch trotz ihrer Prominenz, beim Publikum steht die Choreografie der Hengstquadrille im Mittelpunkt des Interesses. Es genießt im ausverkauften Hauptstadion der CHIO-Anlage den Auftakt der Reit-EM und nimmt die reitende Ministerin als nettes Extra mit, wie eine Zuschauerin in einem roten Kleid mit passendem Hut zusammenfasst: „Es ist schön, wenn Politiker so eine Leidenschaft haben. Das macht sie direkt sympathischer. Doch man braucht kein großes Tamtam darum zu machen, denn darum geht es hier nicht, sondern um den Pferdesport“.
Am Ende der Quadrille erscheint von der Leyen in Großaufnahme auf der Leinwand. Sie lüftet ihren Hut, lächelt in die Menge. Sie wirkt erleichtert, dass alles gut lief. Tagelang hatte sie für diesen Auftritt trainiert, ihren Urlaub verlegt, nur um dabei sein zu können. Obwohl der Auftritt von Frau von der Leyen bei der Auftaktveranstaltung ein wenig untergeht, gibt es für sie, wie auch die anderen ReiterInnen der Quadrille, viel Applaus. Die Verteidigungsministerin wirkt wahrhaftig glücklich, wie sie da auf ihrem Pferd sitzt.
Dem Moderator, der ein wenig nervös durch den lauwarmen Abend führt, hören die Zuschauer nicht wirklich zu, genauso wenig wie NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, die später die Eröffnungsansprache hält.
Als die aktuellen und ehemaligen EM-Gewinner und Rekordhalter des Pferdesports in Kutschen durch das Stadion gefahren werden, gibt es Standing Ovations. Auch der Einzug der teilnehmenden Nationen, die bis zum 23. August in fünf Disziplinen gegeneinander antreten, wird laut gefeiert. Aber vor allem die Pferde begeisterten das Publikum. Einige fachsimpeln über Rasse und Reitart, während sich andere immer wieder zu einem „Guck mal das Fohlen! Wie süüüß!“ hinreißen lassen.
Rückkehr zu Reitsoldaten
Die Zuschauer sind aber auch von der Verteidigungsministerin gerührt. Vielleicht vor allem von ihrem breiten Lächeln. Vielleicht aber sind sie auch schlicht erleichtert, dass nichts schiefging bei ihrem Auftritt.
Denn es scheint zu beruhigen, dass die Verteidigungsministerin reiten kann. Immerhin mussten Generäle früher ihre Fähigkeiten auf dem Pferd bei Reitwettbewerben unter Beweis stellen. Von der Leyen hat nun also gezeigt, dass sie eine Kavallerie in den Kampf führen könnte. Bei den Skandalen um die veraltete und fehlerhafte Ausstattung der Bundeswehr ist der Schritt zu Reitsoldaten nicht völlig abwegig.
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