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Doppeltes Engagement

Protest Zweigeteilte Demonstrationen Berliner Kurden gegen die Kurdenpolitik der Türkei – mehr die Jungen am Mittwoch, am Donnerstag eher mit Funktionären

von Alke Wierth

Hätten sie gemeinsam demonstriert, wären sie immerhin ein knappes Hundert gewesen: Mehr als je 50 Personen brachten die Kundgebungen Berliner Kurden am Mittwoch und Donnerstag nicht zusammen. Mittwoch hatte der Dachverband Komkar, Donnerstag der Berliner Ableger der türkisch-kurdischen Partei HDP zum Protest gegen die Kurdenpolitik der Türkei aufgerufen, erstere vor der türkischen Botschaft, letztere am Auswärtigen Amt.

Dabei unterschieden sich die beiden Demos gar nicht in der wesentlichen Forderung: Stopp der Bombardierung in Kurdistan. Dort greift die türkische Armee seit Tagen nicht nur Stellungen der PKK an, auch Dörfer und damit Zivilbevölkerung kämen zu Schaden, so Teilnehmer beider Protestaktionen.

Was die zwei Fraktionen trennt, ist ihre Haltung zu einem unabhängigen Kurdistan. Während die Dachorganisation Komkar, traditionell Gegnerin der bewaffneten PKK-Guerilla, dieses noch fordert, haben die HDP und die sie unterstützenden Organisationen dieses Ziel aufgegeben. „Wir streben stattdessen eine Demokratisierung der Türkei an, die allen Minderheiten Rechte gibt“, sagt Erkin Erdogan, einer der zwei Vorsitzenden der HDP in Berlin. Deshalb sei die HDP auch keine kurdische Partei, sondern werde „auch von vielen linken Türken oder Mitgliedern anderer Minderheiten in der Türkei und hier unterstützt“, so Erdogan.

Kurden und Kurden

Komkar ist der deutsche Dachverband PKK-kritischer Vereine, die Gewalt ablehnen.

DieHDP (Demokratische Partei der Völker) gilt Kritikern als bestimmt von der Guerillaorganisation PKK. Die HDP bestreitet das.

Wie viele KurdInnen es in Berlin gibt, ist unbekannt, da MigrantInnen nach Staats-, nicht ethnischer Zugehörigkeit erfasst werden. Kurdische Organisationen schätzen die Zahl auf etwa ein Drittel der ca. 275.000 aus der Türkei stammenden Einwanderer.

Tatsächlich ist die erst 2012 gegründete Partei bei den türkischen Parlamentswahlen Anfang Juni, an denen sich erstmals auch türkische StaatsbürgerInnen in Deutschland beteiligen konnten, mit einer bunten KandidatInnenliste angetreten, auf der etwa Homosexuelle oder muslimische Gegner der islamischen Regierungspartei AKP vertreten waren. Bei den Berliner WahlteilnehmerInnen wurde sie damit nach der AKP zweitstärkste Partei.

„Aber fragen sie die HDP mal, wie die Kandidatenliste erstellt wurde!“, schimpft Fevzi Aktas vom Berliner Kurdistan Kultur- und Hilfsverein, der die erste Demo am Mittwoch organisiert hat und dem Dachverband Komkar angehört. Für Aktas ist die HDP eine PKK-gesteuerte Partei. Tatsächlich war auf der Demo am Donnerstag auch der Verband Nav-Dem vertreten, Nachfolger der Dachorganisation Yekkom, die die PKK-affinen Vereine vertrat. Die PKK selbst ist in Deutschland und der EU seit mehreren Jahren verboten. Die KandidatInnen seien von einem Parteirat vorgeschlagen worden, der wiederum von den Parteiführern einberufen worden sei, sagt Erkin Erdogan dazu.

Dass die HDP keineswegs nur eine kurdische Partei ist, dafür steht der 35-Jährige selbst: Er ist ethnischer Türke, lebt seit drei Jahren in Deutschland. Neben der HDP engagiert sich Erdogan in einer Organisation gegen Nationalismus und Rassismus etwa für die Anerkennung des Genozids an den Armeniern. Er sieht die HDP nicht in Konkurrenz oder Feindschaft zu Komkar: „Sie sind eine Nichtregierungsorganisation, wir sind eine Partei“, sagt er.

Da sind sich alle bei den Demos einig: Das Morden muss aufhören

Sie wäre auch auf die Komkar-Demo gegangen, sagt Hüsniye Günay vom Frauenrat der religiösen Minderheit der Jesiden auf der HDP-Demo, „aber ich war am Mittwoch nicht in Berlin“. Das Morden müsse aufhören: Alle, die dafür seien, verdienten Unterstützung. Die 34-Jährige ist mit sieben Jahren nach Deutschland gekommen. Dass sie sich für die kurdische Heimat ihrer Familie engagiert, ist für sie selbstverständlich: „Es geht ja nicht nur um mich!“

Während auf der HDP-Demo mehr FunktionärInnen wie sie vertreten sind, finden sich beim Komkar-Protest viele junge BerlinerInnen kurdischer Herkunft – wie die 19-jährige Zelal. Sie erklärt ihr Engagement wortgenau wie Günay: „Es geht ja nicht nur um mich.“

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