: Gewinn sprudelt, Arbeit versiegt
BP, Ford, die Deutsche Telekom: Innerhalb einer Woche kündigen Konzerne den Verlust von 2.000 Arbeitsstellen in NRW an, obwohl sie Gewinn produzieren. „Neues Feuer für Kapitalismusdebatte“
von MIRIAM BUNJES
Die Konzernchefs nennen sie „Restrukturierungsmaßnahmen“ und „Effizienzförderung“. Für mindestens 2.000 nordrhein-westfälische ArbeitnehmerInnen bei Ford, BP und der deutschen Telekom bedeuten diese Worte seit der vergangenen Woche „Kündigung“. „Wahrscheinlich werden noch mehr Kolleginnen und Kollegen aus NRW künftig im Flur des Arbeitsamtes sitzen“, sagt Verdi-Sprecher Jan Jurczyk. Obwohl der Konzern in diesem Jahr „ein gutes Ergebnis erzielen wird“, wie Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke vergangene Woche verkündete.
Auch der britische Ölkonzern BP kann sich nicht über zu niedrige Gewinne aus Deutschland beklagen: Vor allem die Raffinerien und das Petrochemiegeschäft brachten BP allein im vergangenen Jahr 460 Millionen Euro reinen Gewinn ein. Erst in der vergangenen Woche teilte der Konzern zum Ende des dritten Quartals einen Anstieg seines Überschusses um 25 Prozent auf umgerechnet 2,4 Milliarden Euro mit.
Personal wird trotzdem abgebaut. Allein in Bochum sollen 400 Angestellte der BP Oil Marketing ihren Schreibtisch räumen, sagt Gesamtbetriebsrat Michael Flegel. Ein Konzernsprecher will diese Zahl weder bestätigen noch dementieren(siehe Interview auf dieser Seite). „Wie werden uns gegen die Kündigungen wehren“, sagt Betriebsrat Flegel.
In den Bereichen Marketing und Vertrieb herrsche ein zunehmender Preisdruck, erklärt dagegen der Konzern. Deshalb müsse insbesondere dort gespart werden. Ein Abbau im Tankstellen-Geschäft des deutschen Marktführers Aral sei nicht geplant.
Gerade in international operierenden Großkonzernen wie BP werden Sparvorgaben gemacht, ohne dass die Leitung Betriebsdaten und Situationen vor Ort kennen. „Ein Arbeitskampf hat deshalb so gut wie keine Aussicht auf Erfolg“, sagt Erich Latniak vom Gelsenkirchener Institut für Arbeit und Wirtschaft. Die eigentlichen Entscheidungen seien schon lange gefallen. Der Standort Bochum sei für den Londoner Mutterkonzern lediglich ein Blatt mit anonymen Zahlen. „Dass das Ruhrgebiet sowieso schon eine strukturschwache Region ist und die Entlassenen Schwierigkeiten haben werden, eine neue Stelle zu finden, interessiert da keinen“, sagt der Soziologe.
Die NRW-SPD kündigte bereits eine neue Kapitalismusdebatte an. „Wer Milliarden Gewinn macht, muss auch die Beschäftigten daran teilhaben lassen“, sagte SPD Fraktionsvize Marc Jan Eumann.
Auch in den Kölner Ford-Werken kommt die Sparorder von der Mutter aus den Vereinigten Staaten. Die Dauerkrise des amerikanischen Automarktes und ein „weiterhin schwieriges wirtschaftliches Umfeld“ führten zu Entlassungen. Denn: Das Werk, in dem der Siesta produziert wird, ist zwar ausgelastet, in der Motorenfabrik läuft es dagegen schon länger schlecht, dort wird schon Kurzzeit gearbeitet.
Zur Zeit versucht die deutsche Geschäftsführung, die ArbeitnehmerInnen mit 20.000 Euro Prämien zur freiwilligen Kündigung zu überreden. Ansonsten drohen betriebsbedingte Kündigungen. „Die Stellen werden völlig willkürlich und ohne Absprache mit den Betriebsräten abgebaut“, sagt Wittich Rossmann von der Kölner IG Metall. Es gebe nicht einmal eine Vorgabe, wie viele Beschäftigte aus welcher Sparte gehen sollen. „So werden die Besten gehen und der ganze Standort geht den Bach hinunter“, sagt Rossmann.