Die komische Alte

Film Neuer Film von Lothar Lambert: „Erika, mein Superstar oder Filmen bis zum Umfallen“

Immer, wenn vom Neuen Deutschen Film die Rede ist, ärgere ich mich, dass Lothar Lambert oft nicht einmal erwähnt wird. In den letzten 44 Jahren hat der Moabiter Regisseur 38 Filme gedreht, von denen 16 auf der Berlinale gezeigt wurden. Abgesehen von „Paso Doble“ (1983) sind es fast durchgehend unabhängig produzierte Low-Budget-Produktionen, tragikomische Undergroundfilme, die man sich fast ein wenig scheut, queer zu nennen, weil der Begriff inzwischen so politisch aufgeladen ist und Lambert immer betont, dass er sich nicht für Politik interessiere. Jedenfalls nicht in diesem Sinne. „Ein Achtundsechziger, der aber nicht mitgemacht hat“, sagt er in einem Interview mit Mathias Reichelt, das sich auf seiner schönen Internetseite findet.

Die Mitwirkenden seiner Filme sind meist Teil der Lothar-Lambert-Familie, gehören also zum Freundeskreis wie­Eri­ka Rabau, die seit 1963 auf der Berlinale fotografiert, in vielen Lambert-Filmen mitspielte und auch im Zentrum von seinem neuem, „Erika, mein Superstar oder Filmen bis zum Umfallen“, steht.

Während Samson Vincents Dokumentarfilm „Der Puck von Berlin“ (2007) eher von Rabaus Arbeit als Fotografin erzählt und eine Starporträt entwirft, ist ­„Eri­ka, mein Superstar“ privater. Und erzählt natürlich genauso von Lothar Lambert, der sie zu seinem Superstar ernennt, vielleicht auch, um den verniedlichenden Titel „Puck von Berlin“ zu konterkarieren.

Der Titel holt Erika Rabau jedenfalls zurück in die Lambert-Familie, in der sie in oft kurzen, aber doch prägnanten Rollen die komische Alte spielte. „Gegen deinen Typ hab ich dich nie besetzt“, sagt Lothar Lambert irgendwann im Film, und Erika bestätigt das.

In „Und Gott erschuf das ­Make-up“ (1998) spielt sie eine ältere Frau mit schwarz angemaltem Gesicht, die sich für Pelé hält, aber Spanisch spricht, obgleich Pelé Brasilianer ist. In „Blond bis aufs Blut“ (1997) hat sie eine bizarre Telefonsexrolle, bei der sie sich als kleines Mädchen ausgibt und stets vergisst, ihren Service in Rechnung zu stellen.

Im wirklichen Leben hatte sie Pelé fotografiert, und der hätte sie begehrt, sie hätte ihn aber abgewiesen, wie sie irgendwann im Film erzählt.

Sie ist im Nationalsozialismus großgeworden, war auch beim Bund Deutscher Mädel; ihr genaues Alter verrät sie aber nicht. Sie sei „kindeinhalb“, sagt sie. Als energische, kleine ältere Frau mit hoher Stimme liegt das vielleicht nah.

„Erika, mein Superstar“ ist ein Porträtfilm, in dem die Porträtierte nicht allzu viel über sich preisgibt. Sie sagt übers Alter, „meine größte Angst ist, die Leu­­te zu verlieren“. Dass ihre drei Männer gestorben sind, erfährt man erst im Internet. In einem Fragespiel sagt sie zu den Regisseuren, über die sie Lambert befragt, stets nur ein Wort, meist „hervorragend“, aber auch „ganz ordentlich“ oder „super“.

Beiläufig und entspannt

„Erika, mein Superstar“ ist eher ein beiläufiger, entspannter Porträtfilm mit schöner Musik. Disco, Schlager, aber auch „If You Go Away“. Man sieht die Lambert-Familie mit Erika draußen in einem Café sitzen oder in einer Kneipe. Lambert stellt das Gemachte durchgehend aus: Die Mikrofone ragen ins Bild, man hört die Regieanweisungen, Szenen werden wiederholt. Es gibt viele Filmausschnitte mit Erika Rabau, und als Zuschauer freut man sich, irgendwann auch den 2012 verstorbenen Under­ground­filmer Carl Andersen wiederzusehen. Sie sagt, sie glau­be an Gott, aber nicht an das ewige Leben. Und es gibt das Gipfeltreffen der Legenden, ein längeres Zusammentreffen mit Rolf Eden, der sie in seiner Luxuskarosse durchs alte Westberlin kutschiert und in seine Wohnung einlädt. Sie trägt dabei ein Hütchen mit einem Marihuana­blatt. Die Passage mit Eden war zunächst für „Der Puck von Berlin“ gefilmt, aber dann nicht verwendet worden.

„Jede Familie hat ein schwarzes Schaf, und du bist eben unser schwarzes Schaf“, sagt ihr Bruder, ein seriös wirkender netter Herr, der auch in zwei Lambert-Filmen mitwirkte.

Gegen Ende des schönen Films fragt Lambert, was sie denn machen wird, wenn er keine Filme mehr macht. „Ich mache weiter bis zum Umfallen. Wir machen weiter bis zum Umfallen“, antwortet Erika Rabau. Detlef Kuhlbrodt

Premiere von „Erika, mein Superstar“ am Sonntag, 15.30 Uhr, im Wilmersdorfer Bundesplatz-­Kino. Dort sind an den Augustsonntagen um 15.30 Uhr weitere Lambert-Fime zu sehen

Vom 6. bis 12. August läuft ­„Erika, mein Superstar“ im Brotfabrik-Kino, 18 Uhr