: Übersetzerin unter Verdacht
GERICHT Der Prozess gegen sieben mutmaßliche Drogenhändler startete außergewöhnlich: Der Dolmetscherin wurde Befangenheit vorgeworfen
Alexander Jung, Verteidiger
Vor dem Landgericht Bremen läuft seit Dienstag der Prozess gegen eine mutmaßliche Drogenhändler-Bande. Den sieben Angeklagten wird vorgeworfen, mehrere Kilo Heroin aus der Türkei nach Bremen eingeführt zu haben.
Ungewöhnlicherweise begann die Verhandlung mit einem Befangenheitsantrag gegen die Dolmetscherin. Das könnte eventuell sogar zu Entlassung der Angeklagten führen, von denen sechs derzeit in Untersuchungshaft sitzen.
„Dass Angeklagte Dolmetschern Befangenheit vorwerfen, ist sehr selten“, erklärt Alexander Jung, einer der Verteidiger. Sein Mandant beschuldigt die Frau, gegen die Schweigepflicht verstoßen zu haben sowie voreingenommen zu sein. Sie soll der Ex-Frau eines der Angeklagten Details des Verfahrens erzählt haben.
Die Dolmetscherin hatte für das Gericht Schriftstücke übersetzt. Die Verteidiger haben zudem den Verdacht, dass sie auch an den Ermittlungen beteiligt gewesen sein könnte, indem sie abgehörte Telefonate für die Polizei übersetzte. Das blieb bislang unklar, die anwesenden Beamten äußerten sich dazu nicht.
Ob sie dem Befangenheitsantrag stattgeben, entscheiden die Richter am Freitag. „Nach meiner Auffassung müssten ihre Übersetzungen dann neu verfasst werden“, so Verteidiger Jung, „also auch die Anklageschrift.“ Damit müsste das ganze Verfahren von vorn beginnen. Die Verzögerung könnte für die sechs Angeklagten theoretisch sogar eine Freilassung aus der Haft bedeuten. Denn laut Gesetz ist die U-Haft im Regelfall auf sechs Monate begrenzt.
Der Sprecher des Landgerichts, Thorsten Prange, sieht das weniger dramatisch: „Die Kammer wird prüfen, ob die Dokumente neu übersetzt werden müssen.“
Die Dolmetscherin wurde vorerst freigestellt. Bis zum nächsten Termin am Freitag kann sie eine Erklärung abgeben – zu einer Stellungnahme gegenüber der taz war sie nicht bereit. Für sie sprang ein anderer Dolmetscher ein. Bis Ende Oktober sind weitere Verhandlungen geplant. VINCENT BUSS
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