Mehr Macht für PrivatinvestorInnen

ENERGIE Verband: Windenergiefirmen müssen Interessen der AnlegerInnen besser berücksichtigen

Windräder säumen eine Landstraße in Sachsen Foto: Jan Woitas/dpa

BERLIN taz | Der Bundesverband Windenergie will einen alten Konflikt in seiner Branche befrieden. Neuerdings empfiehlt er den Windfirmen, die Macht ihrer Geschäftsführungen gegenüber den AnlegerInnen deutlich einzuschränken. Die Chefs sollten nicht mehr auf sogenannte Mehrstimmen in den Gesellschafterversammlungen zurückgreifen. Diese ermöglichen es bisher, dass die Geschäftsführer unliebsame Anträge der EigentümerInnen leicht ausbremsen können.

Den neuen Standard für gute Geschäftsführung hat der Vorstand des Bundesverbandes Windenergie (BWE) beschlossen. Er geht unter anderem auf Vorschläge des BWE-Anlegerbeirates zurück, in dem Vertreter der Kapitalgeber sitzen – der BürgerInnen also, die mit einigen 1.000 oder 10.000 Euro Windkraftanlagen finanzieren. „Im Gesellschaftsvertrag sollten keine Mehrstimmrechte enthalten sein und keine Stimmrechte ohne Leistung einer Einlage“, heißt es dort jetzt.

Bisher sind die Mehrstimmrechte gängige Praxis. Welche Wirkung sie haben, erlebten beispielsweise die EigentümerInnen eines Windparks in Sachsen-Anhalt. Weil die AnlegerInnen unter anderem die zu hohe Vergütung der Geschäftsführung bemängelten, wollten sie diese abwählen. Obwohl die Kritiker in der Gesellschafterversammlung die große Mehrheit der Stimmen zusammenbrachten, blieb die Geschäftsführung im Amt. Denn dank ihrer Mehrstimmen erreichte sie bei der Abstimmung gut 25 Prozent und vereitelte damit die zur Abwahl nötige Dreiviertelmehrheit.

„So etwas ist ein eindeutiger Missbrauch von Mehrstimmen gegen die Interessen der Kapitalgeber“, sagt Martin Hundhausen. Er ist selbst Windkraft-Anleger und sitzt in mehreren Beiräten. Zusammen mit dem Anlegergremium des BWE setzt er sich dafür ein, die Macht der Geschäftsführungen zurückzudrängen. Der Konflikt ist auch deshalb virulent, weil viele Windparks aus den 1990er und 2000er Jahren nicht die finanziellen Ergebnisse erzielen, die die Projektierer und Geschäftsführungen versprochen haben. Nicht selten rebellieren die Privatinvestoren deshalb gegen die Chefs der Windfirmen.

Um den Konflikt einzudämmen, ist der Verband den Kleinanlegern nun entgegengekommen. Als „Missbrauch“ will BWE-Vizegeschäftsführer Carlo Reeker die bisherige Praxis allerdings nicht bezeichnen. Teils gebe es „gute Gründe“ für Mehrstimmen: Sie würden beispielsweise dazu beitragen, dass die Geschäftsführungen schnelle Entscheidungen treffen könnten. Bindend ist der neue Standard des BWE nicht. Ob er sich durchsetzt, muss sich daher erst noch zeigen.

Juristisch sind die Mehrstimmrechte umstritten. Während sie das Landgericht Freiburg in einem Fall für nichtig erklärte, gab das Oberlandesgericht Karlsruhe der Geschäftsführung recht. Auch das Oberlandesgericht Celle hat die Mehrstimmrechte bestätigt. Die Kritiker fordern nun die Änderung des Handelsgesetzbuches, das unter anderem für Kommanditgesellschaften gilt. Im Aktiengesetz heißt es schon eindeutig: „Mehrstimmrechte sind unzulässig.“ Hannes Koch