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Stets mit einem Bein im Knast

Pressefreiheit Birmesische Journalisten können weiterhin nur so frei berichten, wie es das Militär zulässt. Das greift dabei auf ein Gesetz zurück, das noch aus der britischen Kolonialzeit stammt

Von Kyaw Lin Htoon

Vor dem Haus steht ein Holzregal mit Flaschen voll Benzin. Mopedfahrer kaufen den Treibstoff, eine Flasche kostet umgerechnet rund 80 Cent. Ein Schild in einer Ecke weist auf „MCEC-Computer und Englischkurse“ hin. Das ist die Heimat eines Journalisten, der im letzten Jahr seine Freiheit verlor.

Ko Lu Maw Naing lebt im Städtchen Pauk (Region Magway) in Myanmars Trockenzone. Er war Reporter des Wochenmagazins Unity Journal, das inzwischen nicht mehr erscheint. Denn der Geschäftsführer und vier Journalisten, unter ihnen Ko Lu Maw Naing, wurden zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie etwas aufschrieben, was den Militärs nicht passte: Sie warfen der Armee vor, in der Gegend eine geheime Chemiewaffenfabrik zu betreiben. Die Anklage lautete auf „Verrat von Staatsgeheimnissen, widerrechtliches Betreten des Sperrgebiets der Fabrik, Fotografieren und Beihilfe zu einem Verbrechen“.

Diesen Paragrafen gibt es schon seit 1923. Damals war Birma eine britische Kolonie. Die Briten wollen mit dem Gesetz ihre Herrschaft sichern.

Die Meinung der Bürger über dieses Gesetz ist geteilt: Manche verteidigen es, finden aber das Urteil gegen die Journalisten zu hart. Andere lehnen den Paragrafen ab, weil er die Meinungsfreiheit einschränke. Er ist aber nicht der einzige, der Journalisten hinter Gitter bringen kann: Bestraft werden kann etwa jeder, der Gerüchte oder Berichte verbreitet, die „der Öffentlichkeit schaden“ könnten.

Die Zahl der Damoklesschwerter, die über Journalisten hängen, ist unter der quasizivilen Regierung unter Thein Sein nach wie vor groß. Zehn Journalisten sitzen derzeit hinter Gittern, 20 weitere warten auf ihr Verfahren.

Der Journalist Ko Luw Maw Naing und seine Frau Ma Lwin Lwin Mar sind Sorgen gewohnt: Sie lernten sich 2008 kennen, als sie nach dem verheerenden Zyklon „Nargis“ versuchten, Opfern zu helfen. Weil das damals strafbar war, flohen sie nach Thailand und kehrten erst nach einer Amnestie 2012 zurück.

Die 32-jährige Lehrerin Ma Lwin Lwin Mar muss nun wieder ums Überleben kämpfen. Denn seitdem ihr Mann im Gefängnis sitzt, besucht kaum jemand mehr ihre Kurse: „Niemand wagt das mehr“, sagt die Mutter einer vierjährigen Tochter. Deshalb versucht sie mit Benzinverkauf zu überleben Vom Journalisten-Netzwerk Myanmar, einer Nichtregierungsorganisation, erhielt sie jüngst 100.000 Kyatt (79 Euro) – ein Tropfen auf den heißen Stein.

Denn das Paar hatte zwei Waisen aus dem nahen Kloster aufgenommen. Die Jungen, acht und zehn Jahre alt, gehen inzwischen zur Grundschule. Die kostet umgerechnet knapp 40 Euro im Monat. Trotz ihrer finanziellen Nöte will Ma Lwin Lwin Mar die Kinder nicht zu den Mönchen zurückschicken.

Einmal im Monat darf sie ihren Mann im Gefängnis besuchen. Dann packt sie so viel Lebensmittel wie möglich ein, denn die Versorgung der Gefangenen ist schlecht. Ihren Mann ermuntert sie, stark zu bleiben. „Er soll meditieren, Englisch lernen und viele Bücher lesen“, sagt sie.

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