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Nein heißt immer noch nicht Nein

DEBATTE Der Europarat fordert, „nicht einverständlichen“ Sex zu bestrafen. Dem entspricht der Entwurf aber noch nicht

Frauenberatungsstellen und Politi­kerinnen machten Druck

FREIBURG taz | Heiko Maas kam nicht von selbst auf die Idee, das Sexualstrafrecht zu verschärfen. Auslöser der aktuellen Debatte ist die sogenannte Istanbul-Konvention des Europarats „zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen“ von 2011. Dem Europarat gehören 47 europäische Staaten an, neben den EU-Staaten zum Beispiel auch Russland, die Türkei und die Schweiz.

Die Konvention schreibt unter anderem vor, dass die Staaten jede „nicht einverständliche, sexuell bestimmte Handlung“ unter Strafe stellen. Deutschland hat die Konvention unterzeichnet, ist also zur Anpassung seines Strafrechts verpflichtet. Damit sah sich die Frauenbewegung bereits am Ziel, dass die alte Losung „No means No – Nein heißt Nein“ endlich umgesetzt wird.

Zunächst behauptete Minister Maas jedoch, Deutschland müsse sein Strafrecht nicht anpassen, es werde der Konvention bereits gerecht. Er erntete dabei aber heftigen Widerspruch. Das Deutsche Institut für Menschenrechte zeigte in einem Gutachten die Schutzlücken auf. Und der Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe legte eine Fallsammlung vor, die die Probleme aufzeigte. Die Sammlung trug den bezeichnenden Titel: „Was Ihnen widerfahren ist, ist in Deutschland nicht strafbar“.

Auch die SPD-Frauen inklusive Sozialministerin Manuela Schwesig und die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU, Elisabeth Winkelmeier-Becker, machten Druck. Im letzten Herbst startete Maas deshalb eine Umfrage bei den Ländern, die den Anpassungsbedarf bestätigten.

Nun hat Maas also einen Gesetzentwurf vorgelegt, „um der Istanbul-Konvention besser gerecht zu werden“. Doch er setzt mit seinem komplizierten Gesetzentwurf die Istanbul-Konvention immer noch nicht konsequent um. Auch künftig sollen nicht alle Fälle, in denen sich der Täter sexuell über die erkennbare Ablehnung des Opfers hinwegsetzt, bestraft werden. Erforderlich ist, dass der Täter die Angst des Opfers vor einem empfindlichen Übel ausnutzt. „Kein empfindliches Übel dürfte in der Regel vorliegen, wenn das Opfer Scham empfindet oder die Furcht hat, anderenfalls Streitigkeiten mit dem Partner zu riskieren“, heißt es im Gesetzentwurf.

Maas hat das „Nein heißt Nein“ aber auch noch nicht endgültig zu den Akten gelegt. Im Februar hat er nämlich eine Reformkommission zur Überarbeitung des Sexualstrafrechts eingesetzt, die bis Sommer 2016 Vorschläge vorlegen soll. Da eine „Nein heißt Nein“-Regelung große Auswirkungen auf das gesamte Sexualstrafrecht hätte, müssten darüber erst einmal Wissenschaftler und Praktiker gründlich beraten, so der Minister. Die Empfehlungen der Kommission sollen ebenfalls noch in dieser Wahlperiode in einen Gesetzentwurf einfließen.

Die Grünen haben Anfang Juli bereits einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Istanbul-Konvention ernst nimmt. Unter der Überschrift „sexuelle Misshandlung“ soll es künftig auch strafbar sein, wenn der Täter sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt, obwohl „der entgegenstehende Wille des Opfers erkennbar zum Ausdruck gebracht worden ist“. CHRISTIAN RATH

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