: Tsipras wagt den Neustart
GRIECHENLAND Linke Kritiker werden entmachtet. Die Banken öffnen, Kapitalverkehrskontrollen bleiben. Am Mittwoch muss das Parlament harte Kürzungen beschließen
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aus Athen Jannis Papadimitriou
Wenige Tage nach dem Aufstand der Syriza-Rebellen im Parlament kam prompt die Reaktion: Bei seiner Regierungsumbildung hat Premier Tsipras zahlreiche Abweichler entlassen – unter ihnen den Anführer des Syriza-Linksflügels Panagiotis Lafazanis, der bis zuletzt für einen Bruch mit den Gläubigern warb und gegen die Sparauflagen votierte. Auch Sozialminister Dimitris Stratoulis musste gehen, mit dem eine Rentenreform nicht machbar gewesen wäre.
Allerdings hat Alexis Tsipras nicht nur die innerparteilichen Gegner bestraft, sondern auch seine Helfer großzügig belohnt. Erstes Beispiel: Jannis Amanatidis, der eigentlich zum Linksflügel gehört, aber trotzdem für die jüngsten Sparauflagen gestimmt hat. Er wird überraschend neuer Vizeaußenminister.
Zweites Beispiel: Die mitregierende rechtspopulistische Partei (Anel) erhält ein zusätzliches Ministerium, weil sie trotz früherer Verbalattacken ihre roten Linien teils aufgegeben und zu Tsipras gehalten hat. Der neue Posten ist wichtig: Komiker Panos Haikalis, der als „griechischer Al Bundy“ eine glorreiche TV-Karriere hinter sich hat, wird Vizeminister für Sozialversicherung. „Ich übernehme eine sehr heiße Kartoffel, aber vielleicht gelingt es mir, die etwas zu kühlen“, lautete seine erste Stellungnahme – eine Fundgrube für Nutzer sozialer Netzwerke. Ältere, laszive Fotos von Haikalis machten die Runde mit hinzugedichteten aktuellen Kommentaren, wie „Baby, lass mich deine Kartoffel kühlen …“ Doch Haikalis ist davon überzeugt, dass er die richtige Qualifikation mitbringt. „Drei Jahre lang war ich arbeitsmarktpolitischer Sprecher in meiner Partei, da habe ich schon etwas Ahnung von der Materie“, ließ er verlauten.
Mit dem neuen Kabinett will Tsipras seine bislang größte innenpolitische Kraftprobe meistern: Am kommenden Mittwoch wird im Parlament über Sparauflagen entschieden, die noch viel härter ausfallen als das Sparpaket von vergangener Woche, das bereits einen innerparteilichen Aufstand entfachte. Unter anderem werden am Mittwoch eine Rentenreform und die Besteuerung der Landwirte verabschiedet.
Aber bis dahin gibt es vermutlich auch gute Nachrichten aus Athen: Nach drei Wochen Zwangspause sollen am Montag die griechischen Banken erstmals wieder öffnen. Allerdings bleiben fast alle Restriktionen und Kapitalkontrollen weiterhin in Kraft. Insbesondere an der Tagesobergrenze von 60 Euro für Abhebungen wird nicht gerüttelt.
Immerhin können die Griechen Steuern oder Kreditkartenrechnungen am Schalter bezahlen. Dies käme dem Staat entgegen, der dringend auf Einnahmen angewiesen ist und infolge der Bankenschließung die Fristen für die Einkommensteuer 2014 verlängern musste.
Auch in Athen wurde zur Kenntnis genommen, dass Finanzminister Schäuble im Spiegel indirekt gedroht hat, zurückzutreten, falls er sich mit seiner Sparpolitik nicht mehr durchsetzt. Niemand könne ihn zwingen, sagte Schäuble. „Wenn das jemand versuchen würde, könnte ich zum Bundespräsidenten gehen und um meine Entlassung bitten.“
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