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Nicht so wie Jimi

Lernstoff Um heute im Popgeschäft zu überleben, braucht es mehr als nur die Leidenschaft – die letztlich einem Jimi Hendrix auch nicht geholfen hat. Pop ist zu lernen. Die richtige Ausbildung verspricht ab Oktober die BIMM-Popakademie

Ungelernter Rockstar: Jimi Hendrix 1970 beim Isle of Wight Festival. Wenig später war er tot Foto: ap

von Andreas Hartmann

An den Wänden im Empfangsraum des BIMM-Instituts in Friedrichshain hängen Poster von Janis Joplin, Kurt Cobain und Jimi Hendrix, schillernde Ikonen allesamt, die die Rockmusik aus den Angeln heben wollten und tragisch scheiterten. Wären diese Rebellen besser klargekommen, wenn sie von der Pike auf gelernt hätten, wie man sich in der Musikindus­trie zurechtfindet, so wie es das BIMM-Institut seinen Studenten verspricht?

BIMM ist eine Popmusikakademie, die 2001 in Brighton gegründet wurde. Brighton Institute of Modern Music nannte sie sich damals. Schnell wurden weitere BIMM-Akademien eröffnet, in London, Manchester, Bristol und Dublin, was dazu führte, dass man sich in British and Irish Modern Music Institute umbenannte. Vielleicht muss man jetzt noch einmal kreativ sein und wieder einen passenden Namen finden, da BIMM Berlin mit ins Portfolio gehört.

Etwas Vergleichbares zum BIMM gibt es in Deutschland bislang nur in Mannheim mit der Popakademie. Dort wird man in einem regulären Bachelor- oder Masterstudium auf einer staatlichen Hochschule auf einen Beruf in der Musikindustrie vorbereitet. Die Popakademie hat keinen schlechte Ruf, sie hat Songschreiber und Produzenten für Stars wie Xavier Naidoo, Cro und Casper hervorgebracht. Aber sie ist halt in Mannheim, darum wird die Pop­aka­de­mie bis heute trotz der Erfolge immer etwas belächelt.

Ein privates Institut

BIMM denkt da anders, größer. Man wolle in den Städten mit einer gewissen Popmusiktradition und einer blühenden Szene sein, erklärt Mark Clayden, der Manager vom BIMM Berlin, darum wird man jetzt ab Oktober die ersten Studenten auch in Berlin begrüßen.

Anders als die Popakademie in Mannheim ist BIMM ein privates Institut, dessen Ausbildung von der West-London-Universität beglaubigt wird. Das ergibt einen Jahresbeitrag für BIMM-Studenten von mehr als 7.000 Euro, womit bei einem dreijährigen Studium einiges an Studiengebühren zusammenkommt. Allerdings wirbt das Institut auch damit, dass beinahe 80 Prozent seiner Absolventen später tatsächlich in einem Job in der Musikindus­trie landen würden. „Vor allem im Bereich der Livemusik gibt es jede Menge Arbeitsplätze“, sagt Mark Clayden. Zudem waren die Mitglieder der erfolgreichen englischen Indieband The Kooks und der Schlagzeuger von Radiohead auf der BIMM, das Institut bringt also auch echte Popstars hervor.

Hört man sich dann aber die aktuelle CD mit Popsongs von BIMM-Studenten aus Brighton und Bristol an, wird man doch ein wenig in seinem Vorurteil bestätigt, dass die echte Leidenschaft von Jimi Hendrix, Janis ­Joplin oder Kurt Cobain nicht wirklich auf der Popuni zu erlernen ist. Irgendwie klingt auf der CD jeder Song in ähnlicher Weise nach supernettem und gleichzeitig supernichtssagendem Indierock. Eine ähnliche Debatte, wie man sie auch aus dem Literaturbetrieb kennt und die sich darum dreht, ob aufregendes literarisches Schreiben wirklich in der Akademie gelernt werden kann, wird auch das BIMM in Berlin begleiten. Zumal die Pophistorie der Stadt ja eng mit Punk und den Ge­nia­len Dilletanten verbunden ist und damit mit dem Charme des selbstbewusst Unprofessionellen.

Aber andererseits reicht es heute für Nachwuchstalente einfach nicht mehr, ein paar Songs zu schreiben, in der nächsten Kneipe aufzutreten und darauf zu hoffen, von einem findigen Plattenfirmenfuzzi entdeckt zu werden. Auch die Zeiten, in denen man als Popmusiker nur Popmusik machen musste und den Rest eine rührige Plattenfirma erledigte, sind vorbei. Heute produziert man im Normalfall eine Platte selbst und kümmert sich dazu um deren Finanzierung, erst dann klopft man bei einer Plattenfirma an oder bringt die Platte gleich selbst heraus.

Man muss heute als junger Musiker wissen, wie man an eine öffentliche Förderung kommt und wie man soziale Netzwerke bedient, wenn man etwas erreichen will. Bloß mit romantischen Vorstellungen von Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll kommt man da nicht mehr weit.

Bloß mit romantischen Vorstellungen von Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll kommt man da nicht mehr weit, wenn man was erreichen will im Popgeschäft

Der Routenplaner

Und an diesem Punkt kommt BIMM ins Spiel, das diese Entwicklung erkannt hat und seinen Studenten, so der Slogan des Akademieprospekts, „Deine Route in die Musikindustrie“ aufzuzeigen verspricht. In unterschiedlich ausgerichteten Bachelorstudiengängen wird man sich hier zum Gitarristen, Bassisten, Drummer oder Sänger ausbilden lassen können. Oder zum Songwriter. Ein dritter möglicher Studienzweig heißt schlicht Music Business. Letzteres studieren Leute, die vielleicht einmal selbst ein Popmusikinstitut leiten möchten.

Wobei Mark Clayden, der Manager des BIMM in Berlin, selbst eher aus dem Kreativsektor kommt. Inzwischen trägt er eine Mod-Frisur im Stil Paul Wellers, wie sie nur Engländer mit Würde tragen können, früher aber war er langhaariger Bassist der Industrial-Metal-Band Pitchshifter, die in den Neunzigern einigermaßen berühmt war. Schon bei der BIMM-Gründung in Brighton war er mit dabei, und dann hat er ein Institut nach dem anderen mit aufgebaut, erzählt er. Und jetzt ist er eben in Berlin. Als einer der weiß, wie das Musikbusiness funktioniert, weil er selbst aus ihm kommt.

Auch die anderen Dozenten und Tutoren in Berlin werden Leute sein, die wissen sollten, wovon sie reden. Clayden nennt Namen von Musikern, die in einst berühmten Bands wie Front 242 oder Siouxsie and the Banshees dabei waren. Auch die Gastdozenten sollen echte Größen aus der Szene sein, Chuck D von Public Enemy, Graham Coxon von Blur und Lemmy von Motörhead traten bereits vor BIMM-Studenten bei Sonderveranstaltungen auf. Da zu studieren, wo Lemmy als Gastdozent zu erleben ist, das kann letztlich so schlecht nicht sein.

Tag der offenen Tür am 25. Juli, Warschauer Straße 70a, www.bimm-institute.de

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