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Verfilmung „Am grünen Rand der Welt“Augenweide ohne Schweiß

Je unkonventioneller die Heldin auftritt, umso konventioneller gerät der Film: „Am grünen Rand der Welt“ von Thomas Vinterberg.

Die freiheitsliebende Bathsheba Everdene (Carey Mulligan) Foto: 2015 Twentieth Century Fox

Das Findelkind Heathcliff, das auszieht und als gemachter Mann auf den Gutshof „Wuthering Heights“ zurückgekehrt, die kecke Elisabeth, die sich gegen die viktorianischen Standesregeln in „Stolz und Vorurteil“ auflehnt, sind mit der Leinwand längst vertraut. In schöner Regelmäßigkeit arbeiten sich Regisseure an britischen Romanklassikern ab und überraschen nicht selten mit gewagten risikofreudigen Interpretationen.

In ihrer Adaption von Emily Brontes „Sturmhöhe“ besetzte Andrea Arnold den „dunkelhäutigen Zigeuner“ Heathcliff mit einem schwarzen Schauspieler, um dessen Außenseitertum zu verdeutlichen, aber auch um die Rolle des British Empire als Umschlagplatz für Sklaven ins Bild zu setzen. Nicht nur die Kälte der Umgebung, ebenso die des Winters spiegelte sich in ihren entsättigten Bildern wider, während die Kamera vor roten Nasen und Frostbeulen nicht zurückschreckte.

Ang Lee wiederum machte sich in „Sinn und Sinnlichkeit“ einen Spaß daraus, das Pathos der Vorlage lustvoll zu überhöhen, ohne dabei die wahrhaft zerrissenen Gefühle seiner Heldinnen und Helden zu überspielen.

Freiheitsliebende Farmerin

Natürlich ist man neugierig, wenn sich ein Regisseur wie der Däne Thomas Vinterberg, Mitverfasser des Dogma-Manifests, einen Liebesroman von Thomas Hardy vornimmt.

So präzise wie behutsam begleitet der britische Schriftsteller in seinem 1874 erschienenem Buch „Am grünen Rand der Welt“ eine jungen Frau in ländlicher Umgebung bei der ehrlichen, ja schonungslosen Erkundung ihrer Gefühlswelt. Natürlich ist eine Schauspielerin wie Carey Mulligan („Drive“, „Shame“), die resolute Toughness mit tiefer Verunsicherung zu vereinen weiß, die ideale Besetzung für die freiheitsliebende Bathsheba Everdene.

Entgegen den Konventionen der Zeit betritt das Energiebündel männlich dominiertes Terrain. Bathsheba beschließt, ihr Erbe anzutreten und die Farm ihres Onkel im Alleingang als Frau zu bewirtschaften. Natürlich beschert uns dieser aus der Reihe tanzende Wille die eine oder andere hübsche Einlage. Bei einer Auktion übersehen die Kunden die Jung-Farmerin und ihre Produkte, bis sie lautstark die Stimme erhebt und ihr Getreide zum angemessenen Preis an den hochnäsigen Mann bringt. Man freut sich mit ihr, wenn sie am Ende des Monats am Tisch thront und mit der Verwalterin den Arbeitern das zugesagte Gehalt auszahlt.

Gerne mehr davon

Ohne großen filmischen Aufwand befreien sich in diesen Momenten die Szenen aus dem Gewand des Kostümfilms, lassen die Zeit und Umstände hinter sich und erzählen von einer Frau, die sicher ihrer selbst immer bewusster wird. Gerne hätte man mehr davon gesehen!

Doch je unkonventioneller seine Heldin auftritt, desto konventioneller wird Vinterbergs Filmsprache. Angesichts des biederen Bilderreigens könnte man von einer visuellen Kontraproduktivität sprechen.

Nie macht sich Vinterberg die Mühe, den besonderen Blick von Hardy auf die südenglische Landschaft mit ihren endlosen Weiden und steilen Klippen aufzugreifen, sondern er begnügt sich mit einer abgefilmten Postkartenästhetik. Selbst die Schwerstarbeit auf dem Hof wird zur schweißfreien Augenweide.

Bereits die Vorstellung von Bathsheba Everdene entspricht dem banalen Klischee des Wildfangs: Ausgelassen reitet sie, lässt sich dabei auf dem Pferdesattel nach hinten fallen, schaut in den Himmel und in die Baumkronen. Beobachtet wird sie dabei von dem Schäfer Oak (Matthias Schoenarts). Prompt verliebt er sich in das ungestüme Wesen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Film von Beginn an von der wechselseitigen Bestimmung der beiden weiß.

Verräterischer Vorsprung

Es ist ein Wissensvorsprung, der seine Heldin und auch die Objekte ihres Begehrens letztlich verrät, weil man ihr einen Schritt voraus ist.

Man spürt, dass Batshebas stürmische Gefühle zu dem Herzensbrecher Troy von diesem missbraucht werden und dass es eher Vernunftgründe sind, die sie zu einem reichen Gutsnachbarn ziehen. Der Zuschauer wird in die Rolle des Besserwissers gedrängt. Dabei hätte man sich viel lieber und in aller Gegenwärtigkeit gemeinsam mit Bathsheba Everdene von ihren Gefühlen und ihrer Sehnsucht nach einer anderen als der ihr zugewiesenen Lebensrolle überwältigen lassen.

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1 Kommentar

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  • "Man" ist der Heldin einen Schritt voraus. "Man" spürt etwas. "Man" hätte sich gern überwältigen lassen. Hat man dann aber lieber doch nicht. Man hat "seine Heldin und auch die Objekte ihres Begehrens letztlich verr[aten]", in dem man brav bis ganz zum Ende das konsumiert hat, was der (sehr) renommierte Regisseur Thomas Vinterberg, Mitverfasser des seinerzeit unkonventionellen Dogma-Manifests, einem vorgesetzt hat an konventionellem Kino. Immerhin hat man den Helden seiner Jugendjahre nachher ja wenigstens ein ganz klein wenig kritisiert. Die Freiheit darf man sich schon nehmen in einem freien Land wie unserem. Ganz (un)konventionell und selbstgefällig.

     

    Ich denke, das Publikum wird "die freiheitsliebende Bathsheba Everdene" mögen, die so unkonventionell auftritt in diesem so konventionell gemachten Film. Das ganze Setting ist ja schließlich eines, das uns allen gemeinsam nur all zu vertraut ist.