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Erfolgsprämie für jeden Absolventen

Studienabbruch Weniger Studierende sollen ihr Studium schmeißen, also zahlt NRW den Unis pro Abschluss 4.000 Euro. Ein Anreiz mit Schönheitsfehlern

Die Erfolgsprämien scheinen eher eine publikumswirksame Umschichtung von Geld zu sein

BERLIN taz | Im ersten Semester sind die Hörsäle proppenvoll. Mit der Zeit lichten sich dann in vielen Fächern die Reihen. Statistiken des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung zeigen, dass rund jeder Dritte sein Studium abbricht. Besonders viele sind es in Mathe, Physik und Chemie.

Die Gründe dafür sind vielfältig: Bei einigen fehlt das Geld für den Lebensunterhalt, andere sind mit der Studienwahl unzufrieden oder fallen durch die Prüfung. Das sieht der Staat nicht gerne. Denn ein Studienplatz ist teuer und die jungen Akademiker sollen lieber früher als später auf dem Arbeitsmarkt starten.

Eine Idee zur Lösung des Problems kommt aus Nordrhein-Westfalen. Um die Hochschulen zu motivieren, ihre Studenten erfolgreich ans Ziel zu führen, verteilt das Land zukünftig Prämien. 4.000 Euro bekommen die Unis für jeden, der sein Erststudium abschließt. Bei rund 60.000 erfolgreichen Studienabsolventen im Jahr eine ganze Stange Geld.

Das Geld kommt aus dem Hochschulpakt. Mit diesem Bund-Länder-Programm sollen eigentlich neue Studienplätze finanziert werden. Für jeden zusätzlichen Anfänger bekommen die Unis normalerweise eine Pauschale von 20.000 Euro. Im vergangenen Jahr einigten sich Bund und Länder allerdings darauf, dass ein Teil des Geldes gegen Studienabbruch eingesetzt werden kann. NRW macht von dieser Idee nun umfassend Gebrauch. „Weit mehr als die von den Bundesländern vereinbarten 10 Prozent der Hochschulpaktmittel werden künftig erfolgsbezogen vergeben“, sagt Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD). Für jeden neu geschaffenen Studienplatz sinkt die Finanzierung dafür auf 18.000 Euro. Am Ende könnten die Unis trotzdem Plus machen. Denn die Anfängerpauschalen gelten nur für zusätzliche Studienplätze. Die Erfolgsprämien aber für alle, die ihren Abschluss machen.

Beschwerdesystem für Studenten

Mehr Geld ist immer gut. Aber wie kann das so eingesetzt werden, dass die Studenten motiviert werden, ihr Studium durchzuziehen? Vorgaben, wie das Geld verwendet wird, gibt es keine. Statt zielgerichteten Maßnahmen gegen hohe Abbrecherquoten scheinen die Erfolgsprämien eher eine publikumswirksame Umschichtung von Geld zu sein.

An der TU Dortmund wandert das Geld in den normalen Unihaushalt. „Um gegen hohe Abbruchzahlen vorzugehen, müssten wir erst einmal Zahlen haben“, sagt Martin Rothenberg, Mitarbeiter im Referat für Hochschulkommunikation. „Wenn jemand umzieht und an einer anderen Uni weiterstudiert, zählt er hier als Abbrecher“, so Rothenberg. Um die Studenten bei der Stange zu halten, gibt es an der TU Dortmund bereits einige Instrumente. Ein Beschwerdesystem für Studenten beispielsweise, wenn ihnen auffällt, dass in bestimmten Kursen besonders viele durchfallen. Oder den Mathe-Help-Desk, zusätzliche studentische Tutorien in den ersten Semestern. „Diese Angebote hat es aber auch schon vor den Erfolgsprämien gegeben., sagt Rothenberg. Heißt im Grunde: Alles läuft weiter wie bisher – im besten Fall mit einem kleinen Plus im Haushalt.

Andreas Keller von der Bildungsgewerkschaft GEW hält eine reine Kopfprämie für falsch. „Das Problem sind die Rahmenbedingungen. Die Betreuungsquote muss sich verbessern.“ Eine isolierte Erfolgsprämie könnte seiner Meinung nach kontraproduktiv sein. „Womöglich schränken dann die Unis den Zugang weiter ein und nehmen nur noch solche Studenten, die den Abschluss mit hoher Wahrscheinlichkeit schaffen.“

Eine andere Möglichkeit, um an die Prämien zu kommen, wäre, die Abschlüsse leichter zu gestalten und bessere Noten zu vergeben. Rothenberg hält die Sorge über sinkende Standards allerdings für unbegründet. „Die Studienordnungen bleiben, wie sie sind, genauso wie die Anforderungen.“ Wenn aber an den Hochschulen alles bleibt, wie es ist, hat die Anreizidee einen Schönheitsfehler. Denn dann bedeutet das Programm einfach mehr Geld für die großen Hochschulen mit hohen Abschlusszahlen, weniger für die anderen.

Keller hält es deswegen für problematisch, Gelder für die Erfolgsprämien von den Pauschalen für zusätzliche Studienanfänger abzuzwacken. „20.000 Euro sind eh schon zu wenig. Nimmt man davon noch etwas weg, konterkariert das den dringend nötigen Flächenausbau.“ Man brauche zuerst eine Grundausstattung, die an allen Hochschulen ein gutes Studieren ermögliche. Erfolgsprämien sollten höchstens zusätzlich gezahlt werden. Josephine Schulz

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