: „Die Lage ist dramatisch“
Flüchtlingsunterbringung Behördenvertreter und Bürger diskutieren heute im Altonaer Rathaus
48, Filmemacher und taz-Korrespondent in Libyen und Tunesien, hat die Ausstellung organisiert und moderiert die Diskussion
taz: Herr Keilberth, Sie sind Korrespondent in Libyen, wie ist die Lage der Flüchtlinge da?
Mirco Keilberth:Mittlerweile ist es so, dass die Flüchtlinge nicht mehr aus Libyen direkt stammen, sondern über Libyen flüchten. Die wirtschaftliche Situation dort ist nicht mehr beherrschbar. Die Leute haben nichts. Es gibt keine Arbeit und es fehlen staatliche Strukturen. Mit 2000 Kilometern Küste ist Libyen außerdem das optimale Sprungbrett.
Bedeuten die Flüchtlinge für Hamburg auch Chancen?
Chancen kann man schon fast als ironische Frage sehen, die meisten Menschen haben ja eher Angst vor Migration. Länder wie Kanada oder Australien nutzen diese jedoch effektiv für den Arbeitsmarkt.
Und Hamburg?
Viele Firmen suchen händeringend nach Azubis. Langfristig muss sich die Stadt Gedanken machen, wie angenommene Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Das richtige Rezept dafür muss noch erarbeitet werden. Darin steckt eine große Chance für die Stadt.
In Jenfeld kocht die Stimmung schon hoch, bevor Flüchtlinge da sind. Ist die Stadt Schuld?
Die Lage ist derzeit durch die hohe Anzahl an Flüchtlingen, die jeden Tag ankommen, dramatisch. Es ist nicht immer gleich klar, wo man sie unterbringen kann. Ich denke, dass die Behörden sich Mühe geben, schnell etwas auf die Beine zu stellen. Da bleibt die Kommunikation ab und zu auf der Strecke. Genau das wollen wir heute diskutieren. Wir haben die zuständigen Institutionen zu Gast und werden versuchen, all diese Fragen zu beantworten.
Auch die Frage, was besser gemacht werden muss?
Auch darüber muss gesprochen werden und vor allem, wie die Unterbringung überhaupt organisiert wird. Darüber wissen wir alle wenig. Wie findet der Ablauf von Ankunft bis Unterbringung statt? In welchem Zeitraum passiert es?
Schon bei der Lampedusa-Gruppe gab sich Hamburg überfordert …
Die Lampedusa-Gruppe hat das Thema auf die politische Ebene gebracht und polarisiert, die Stadt ist seitdem vorsichtiger geworden. Heute haben wir es aber mit einer ganz anderen Dimension zu tun. Es kommt wöchentlich die Zahl einer Lampedusa-Gruppe an.
Interview Robin Grützmacher
Diskussion „Chancen und Herausforderungen für den Fluchtort Hamburg“ im Rahmen der Fotoausstellung „Leben auf der Flucht“: 18 Uhr, Rathaus Altona, Platz der Republik 1
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