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: „Den Menschen so fern“

Albert Camus schreibt über seine Figur Daru in „Der Gast“: „Er, der in seiner abgelegenen Schule ein beinahe mönchisches Dasein führte, zufrieden übrigens mit dem wenigen, das er besaß, und mit der Rauheit seines Lebens, fühlte sich angesichts dieses Elends geradezu als Herr, wenn er an seine vier verputzten Wände, sein schmales Ruhebett, seine Bücherregale aus rohem Holz, seine Zisterne und seine wöchentliche Versorgung mit Nahrung und Wasser dachte.“ „Angesichts dieses Elends“ – damit sind die algerischen Hochplateaus gemeint, zum Zeitpunkt der Geschichte von einer Dürre gebeutelt: „Da starben die Schafe zu Tausenden, und auch ein paar Menschen hier und dort, ohne dass man dies immer erfuhr.“

„Der Gast“, 1957 von Camus verfasst, ist der Text, an dem sich der französische Regisseur David Oelhoffen nun versucht hat. Die Erzählung, angesiedelt im Jahr 1954, also kurz vor Beginn des algerischen Unabhängigkeitskrieges, dehnt Oelhoffen zu einem Western aus. Der Lehrer Daru wird von Viggo Mortensen gespielt. Das passt gut. Ist Mortensen doch auch in Lisandro Alonsos neuem Film „Jauja“ als leicht verwitterter Einzelgänger durch surrealistische Weiten unterwegs.

Prächtige Landschaft

Wirkt er in „Jauja“ etwas ziellos, gibt es in „Den Menschen so fern“ einen Auftrag auszuführen: Vor Darus Tür taucht der Gendarm Balducci mitsamt dem Bauer Mohamed (Reda Kateb) auf. Letzterer ist des Mordes beschuldigt, und Darus Auftrag soll es sein, ihn zu eskortieren, damit der Araber sich seiner Verurteilung stellen kann. Das Ziel lautet Tinguit. „Wie könnten zwanzig Kilometer einem strammen Kerl wie dir Angst machen. Nachher bist du die Sache los. Du kehrst zu deinen Schülern und zu deinem sorglosen Leben zurück“, entgegnet Balducci dem nicht gerade begeisterten Daru. Über weite Strecken des Films sind also zwei Männer zu sehen, die sich gemeinsam durch prächtige Landschaftskulissen schlagen. Die Musik dazu haben Nick Cave und Warren Ellis beigesteuert. Das macht schon was her. Und ein bisschen Komik gibt es auch.

Klar dürfte indessen sein, dass die angeblich locker zu nehmenden Kilometer keine störungsfreien sein werden. Die Stimmung im Gebiet ist aufgeheizt. Und Daru nimmt als ehemaliger Offizier und Sohn andalusischer Eltern eine Sonderstellung ein. Oelhoffen konzentriert sich auf den Konflikt zwischen Selbst- und Fremdverortung, der Daru widerfährt. Der nahende Krieg stößt ihn aus seinem abgeschotteten Dasein. Ein Schubser, der Krise bedeutet. Und zumindest im Film auch zu einem gewissen Grad Erweckung. Carolin Weidner

„Den Menschen so fern“. Regie: David Oelhoffen. Mit Viggo Mortensen, Reda Kateb u. a., Frankreich 2014, 102 Min.