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Beim Fastenbrechen in die Luft gejagt

Nigeria Boko Harams Ramadan-Offensive fordert Dutzende weitere Opfer

COTONOU/LAGOS taz | Mit den jüngsten Anschlägen in Nigeria dürfte die Zahl der Terroris­mus­opfer seit dem Amtsantritt von Präsident Muhammadu Buhari mittlerweile auf mindestens 460 geklettert sein. Am Montagmittag bestätigte die staatliche Nothilfeagentur Nema, dass bei einem Doppelanschlag in Jos, Hauptstadt des Bundesstaates Plateau, am Sonntagabend 44 Menschen ums Leben gekommen sind. Weitere 48 wurden zum Teil schwer verletzt.

Plateau – krisengebeutelt durch eth­nische Auseinandersetzungen – gehört eigentlich nicht zum Kernterritorium der Miliz Boko Haram. Doch mit dem Angriff unterstreicht die Gruppe, wie mächtig und motiviert sie weiterhin ist, obwohl Präsident Buhari erst am Wochenende verkünden ließ, den Kampf gegen die Terroristen zu gewinnen. „Präsident Buhari versichert allen Nigerianern, dass der Terror am Ende besiegt werden wird und dass in allen Landesteilen die Sicherheit wiederhergestellt werden wird“, sagte Buharis Sprecher Femi Adesina.

Zu weiteren Angriffen kam es am Montag im Bundesstaat Zamfara, bei dem in zwei Dörfern mindestens 30 Menschen starben. Allerdings ist unklar, ob es sich tatsächlich um Übergriffe von Boko Haram handelt.

Die Terroristen haben sich bisher weder zu den Jos-Angriffen noch zu jenen der vergangenen Woche in den Provinzen Borno und Yobe bekannt. Doch gerade der Anschlag auf die Yantaya-Moschee in Jos trägt die aktuelle Handschrift der Miliz. Denn seit Buharis Amtsantritt am 29. Mai sind Moscheen gleich mehrfach ins Visier der Kämpfer gerückt.

Gerade während des Fastenmonats Ramadan sind Moscheen gut besucht. Dass man sich nach Sonnenuntergang zum Beten und gemeinsamen Fastenbrechen trifft, hat eine lange Tradition. Viele Muslime überall in Westafrika freuen sich auf diesen Moment des Tages, der im Nordosten Nigerias nun zum Albtraum wird.

Das ist eine neue Komponente des islamistischen Terrors. Bislang galt: Der Ramadan ist ein Monat des Friedens und der Besinnung, in dem der „heilige Krieg“ keinen Platz hat. Doch Boko Haram hat sich nun offenbar wieder einmal den großen Bruder, den Islamischen Staat (IS), zum Vorbild genommen. Dieser soll seine Anhänger ausdrücklich zu Kämpfen während des Ramadan aufgefordert haben, um daraus für Ungläubige einen Monat der Katastrophe zu machen.

Der Kampf gegen Boko Haram wird auch im Mittelpunkt der Gespräche stehen, die der Afrika-Staatssekretär des US-Außenministeriums, Antony Blinken, in Nigerias Hauptstadt Abuja führt. Blinken traf gestern in Nigeria ein und wird danach Niger und Tschad besuchen. Blinken wird nach US-Angaben die besondere Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Nigeria und seinen Nachbarn gegen den Terror unterstreichen.

KATRIN GÄNSLER, OKORO CHINEDU

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