Thomas Ruttig über Taliban-Direktgespräche in Pakistan: Frieden oder Sabotage?
Jedes Mal, wenn sich Gespräche mit den Taliban andeuten, sorgt das für einen Schub von Euphorie. Nachdem bekannt wurde, dass die afghanische Regierung erstmals direkte Kontakte mit Aufständischen in Pakistan hatte, ist nun schon wieder von „Durchbruch“ die Rede.
Aber etwas Vorsicht ist angebracht. Zum einen sind Gespräche noch nicht formale Verhandlungen. Die müssten als Ergebnis aus solchen Kontakten hervorgehen, und so weit ist die Entwicklung noch lange nicht.
Zum Zweiten existieren schon andere Gesprächskanäle mit Vertretern unterschiedlicher Taliban-Strömungen, zum Teil in einem unverfänglicheren Rahmen. Angesichts der Komplexität der Probleme Afghanistans ist es auch eher angebracht, nicht gleich frontal auf einen Durchbruch zu setzen, auch wenn das mehr Schlagzeilen bringt.
Die Taliban-Führung hatte als einzigen autorisierten Verhandlungskanal eigens ein Büro in Katar eingerichtet, extra um sich aus der Kontrolle Pakistans zu befreien. Hinter den neuen Gesprächen kann man also durchaus auch den pakistanischen Versuch vermuten, andere Kanäle zu sabotieren, die „eigenen Taliban“ ins Spiel zu bringen und die Kontrolle wiederzugewinnen – als Karte im größeren regionalen Machtkonflikt mit Indien.
Der afghanische Präsident Aschraf Ghani macht nur mit, weil er schnelle Erfolge braucht. Er hat die wirtschaftliche Entwicklung seines Landes zu seiner politischen Priorität gemacht. Dazu braucht er endlich Frieden. Kurz gesagt: Aschraf Ghani versucht, China zu bewegen, Pakistan zu bewegen, die Taliban an den Verhandlungstisch zu zwingen.
Aber China ist auf dem Afghanistan-Feld eher unerfahren und hat sich dabei bisher auf Pakistan verlassen. Auch Ghanis Regierung in Kabul ist außenpolitisch unerfahren. Es besteht die Gefahr, dass die Regierung in Kabul sich für einen schnellen Scheinerfolg über den Tisch ziehen lässt.
Frieden in Afghanistan wird wohl leider mehr Zeit brauchen.
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