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Überraschung: Die Mietbremse bremst wirklich

MIETEN ImmoScout24: Angebotsmieten im Juni zum ersten Mal seit dem Jahr 2009 gesunken

„Unsere Instrumente zur Dämpfung der Mieten greifen“

Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel, SPD

Problem erkannt, Problem gebannt? Es sieht so aus, als habe die im Juni in Berlin eingeführte Mietpreisbremse umgehend Wirkung entfaltet. Diesen Schluss zieht jedenfalls das Immobilienportal ImmobilienScout24: „Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes im Juni 2015 sind die Angebotsmieten um über 3 Prozent gesunken“, teilten die Betreiber am Mittwoch mit – von im Mittel 8,80 Euro/qm nettokalt im Mai auf 8,53 Euro/qm im Juni. Damit sei ein Trend gebrochen, der seit 2009 anhalte.

Laut ImmoScout-Sprecher Marcus Drost sind die Vermieter beim Einstellen ihrer Angebote vorsichtiger geworden, sie orientierten sich nun offensichtlich am Mietspiegel, so, wie es das neue Gesetz vorsieht. „Beim Neubau sehen wir den Effekt nicht“, so Drost zur taz. Ebenso wie „umfassend sanierte“ Wohnungen und solche, die bereits Ende 2014 über der „ortsüblichen Vergleichsmiete“ laut Mietspiegel lagen, sind Neubauwohnungen von der Regelung ausgenommen.

Geisel begeistert

Beim Senat sorgte diese Meldung für Begeisterung. Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) teilte mit, die Entscheidung Berlins sei richtig gewesen, als erstes Bundesland die Mietpreisbremse umzusetzen – und das auch noch flächendeckend. „Unsere Instrumente zur Dämpfung der Mieten greifen“, kommentierte Geisel die ImmoScout-Zahlen, „das ist eine gute Nachricht für die Berlinerinnen und Berliner.“

Etwas vorsichtiger reagierte die stellvertretende Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins, Wibke Werner. Auch wenn sich ein Zusammenhang mit der Mietpreisbremse vermuten lasse, sei es zu früh, von einer nachhaltigen Wirkung auszugehen. „Man muss sehen, wie sich das einpendelt“, so Werner. „Aus unserer Sicht wäre das natürlich zu begrüßen.“

Andere Erfahrungen

Der taz sagte Werner, der Mieterverein habe im Rahmen einer von ihm gestarteten Aktion zur Überprüfung der Mietpreisbremse „etwas andere Erfahrungen“ gesammelt. Laut den Daten, die Mitglieder geliefert hätten, lägen Angebotsmieten oft mehr als 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete. Doch dieses Ergebnis sei wegen der geringen Fallzahl noch nicht belastbar.

Das Bundesgesetz zur Mietpreisbremse gilt seit 1. Juni. Es ermöglicht den Bundesländern, Regionen mit „angespanntem Wohnungsmarkt“ auszuweisen, in denen Neumieten nicht mehr als 10 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen dürfen. Berlin hat diese Regelung sofort stadtweit umgesetzt, ausschlaggebend ist hier der Mietspiegel.

Kritiker der Mietpreisbremse monieren unter anderem die erwähnten Ausnahmen: Laut Mieterverein sind dadurch rund 40 Prozent der Berliner Mietwohnungen nicht vom Instrument Mietpreisbremse betroffen. Weiterer Kritikpunkt: Vermieter können höchstens nachträglich zur Miet­anpassung gezwungen werden, weitere Sanktionen sind nicht vorgesehen. Claudius Prößer

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