: Sommer und Sonne sind Pflicht
KONZERT Das Orchestre Miniature in the Park stellt sein Debütalbum „Songs About The Sun“ am Samstag im Viktoriapark vor
Kennen Sie das Kazoo? Bestimmt. Sieht aus wie eine kleine Haschpfeife, ist aber ein Instrument. Ungefähr zehn Zentimeter lang, eine Seite flach, die andere spitz zulaufend, darauf ein Aufsatz, aus dem ein leiernder, quäkender Ton kommt, wenn man hineinsingt. Früher einmal wurde das Kazoo sogar im Jazz eingesetzt, ganze Orchester gab es in den auch ansonsten ganz schön wilden Zwanzigerjahren.
Heute ist das Kazoo zum Kinderinstrument herunterkommen und deshalb genau richtig im Orchestre Miniature in the Park. Das Prinzip des 2007 gegründeten Projekts, das mit „Songs About The Sun“ nun sein erstes Album herausbringt: Unüberschaubare viele Musiker, Profis und Amateure, spielen zusammen auf Spielzeuginstrumenten. Einzige Regel aus den Anfangszeiten, die bis heute mit Ausnahmen gilt: In jedem Song muss das Wort „Sonne“ oder „Sommer“ vorkommen.
Das Ergebnis ist sehr laut, sehr fantasievoll, sehr lustig und mittlerweile auch ziemlich beliebt. Geprobt wird aus Prinzip nicht, aber regelmäßig füllt das Orchester Clubs wie Antje Öklesund oder Schokoladen, die für die bis zu dreißigköpfige, multinationale Besetzung eigentlich viel zu klein sind.
Unbeschwerte Lieder
Mit Melodica, Ukulele, Glockenspiel, Flöten, Kinderklavier und Mini-E-Bass, Stylophone, Balalaika und gern auch mehreren Kazoos spielt man auf der Straße, auf Flößen und sehr gern in Parks, vor dem Centre Pompidou und natürlich bei der Fete de la Musique Klassiker wie „Hot Summer Nights“ von Meat Loaf, den „Sunshine Reggae“ oder „Seasons In The Sun“. Das OMP, wie sich die Kapelle abkürzt, hat eine durch Straßenmusik nur leidlich finanzierte Tourneen durch Spanien und Frankreich absolviert, wird im September beim großen Lollapalooza-Festival auftreten und davor geht es durch Polen.
Das Orchester, in dem auch bekannte Kolleginnen wie Toni Kater oder Phoebe Kreutz gastieren, wird von Klaus Cornfield zusammengehalten. Der hat bereits in den Achtzigerjahren noch in Nürnberg die Trash-Beatband Throw That Beat In The Garbagecan! gegründet und später, nach seinem Umzug nach Berlin, die Band mit dem schwer zu googelnden Namen Katze.
In beiden Formationen sang er mit seiner hohen, leicht quietschigen, kindlich wirkenden Stimme, mal englische, mal deutschsprachige Lieder, die das Leben und die Liebe von der möglichst unbeschwerten Seite nahmen. Dieses aus Überzeugung unernste Konzept setzt der professionelle Kindskopf, der sein Geld vornehmlich als Comic-Zeichner verdient, nun mit dem OMP noch radikaler um als eine Mischung aus Kindergeburtstag und musizierender Hippie-Kommune in der Tradition von Grateful Dead.
Im das Album eröffnenden Titelsong behauptet Cornfield, während es klappert und klingelt und krawummt, zwar noch: „I don’t need no songs about the sun“. Aber die zwölf darauf folgenden Lieder, der Großteil Eigenkompositionen, handeln nahezu ausschließlich davon, wie die Sonne lacht, wie man im Park in der Sonne herumliegen kann oder wie die Sonne eine aufkeimende Liebe bescheint. Die Songs heißen „Die Sonne ist da“, „May The Sun Always Shine“, „Fräulein Sommer“ oder „On This Sunny Day“.
Und vor allem: Sie klingen auch so, nämlich unverschämt unbeschwert, leichtfüßig und ohne großes Nachdenken hingehuscht, eben ziemlich sonnig. Seien wir ehrlich: „Songs About The Sun“, so aufgedreht fröhlich es auch klingt, ist ein Konzept-Album.
Vergessenes Vorbild
Die Idee, das weiß niemand besser als Cornfield, ist aber nicht ganz neu. Bereits 1987 veröffentlichte die New Yorker Band Pianosaurus ihr legendäres erstes und einziges Album „Groovy Neighborhood“. Davon spielen OMP nun „Sun Will Follow“ und erweisen damit einer zu Unrecht vergessenen, zwar weitgehend folgenlos gebliebenen, aber extrem charmanten Episode der Popgeschichte ihre Reverenz. Erstaunlich, wie sich solch eine Spaßunternehmung wie das Orchestre Miniature in the Park dann doch wieder völlig selbstverständlich in der Historie verorten lässt. Thomas Winkler
Orchestre Miniature in the Park: „Songs About The Sun“ (6:5 /Rough Trade); Record-Release-Konzert: 4. Juli, 16 Uhr, Viktoriapark, Kreuzberg
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