: Stoff für Debatten
Verkehr Parteien üben freundliche Kritikan der Studie der Piraten zum Bürgerticket
Bus und Bahn fahren, ohne ein Ticket zu kaufen: Der fahrscheinlose öffentliche Nahverkehr ist eines der Lieblingsthemen der Opposition. Nun haben, nach Grünen und Linken, die Piraten die Machbarkeit des „Bürgertickets“ untersuchen lassen. Die Reaktionen sind – wie zu erwarten – freundlich. Sogar der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Ole Kreins, sprach gegenüber der taz am Sonntag von einer „schönen Idee, wenn auch irreal“.
Am Freitag hatte die Piratenfraktion eine Studie zum fahrscheinlosen Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) vorgestellt. Danach würden die Leistungen der BVG vor allem über obligatorische, sozial gestaffelte Monatsbeiträge der BerlinerInnen bezahlt: Umsonst führen alle unter 18 Jahren, sozial Schwache müssten 15 Euro, alle anderen – ob sie das Angebot nutzen oder nicht – zwischen 42 und 69 Euro bezahlen.
Touristen zahlen auch
Weitere mögliche Einnahmequellen nennt die Studie eine City-Maut für Pkw, eine Erhöhung der Grunderwerbsteuer und eine neue City-Tax für Touristen von 1,50 Euro pro Nacht. Die Gesamtkosten des ÖPNV berechnen die Autoren mit 1,5 bis 2 Milliarden Euro pro Jahr.
Diese „großen Kostenschwankungen“ sind es, die der grüne Verkehrsexperte Stefan Gelbhaar erklärungsbedürftig findet. Ansonsten sei die Studie „ehrenwert und wichtig für die Debatte“. Nun seien die Regierungsparteien am Zuge. „Es geht darum, wie man BVG und S-Bahn in Zukunft finanziert. SPD und CDU erhöhen einfach die Preise.“
Auch Jutta Matuschek von den Linken lobt die Studie als „Denkanstoß“. Allerdings seien einige Grundannahmen, die der Arbeit zugrunde liegen, „hinterfragenswert“. So gehe die Studie davon aus, dass der steuerfinanzierte Anteil des Bürgertickets konstant bleibt oder sogar ansteigt. Dies sei jedoch „oberoptimistisch“.
Grundsätzlich, so Matuschek, halte sie zudem die Finanzierung durch Zwangsbeiträge für unsozial. „Warum soll Oma im Heim ein Angebot mitbezahlen, das sie gar nicht nutzt?“ Sie würde es vorziehen, ein Bürgerticket vornehmlich über höhere Steuern zu finanzieren. Damit ist Matuschek in ihrer Partei allerdings in der Minderheit. Erst im März haben die Linken ihr Konzept einer „Öffi-Flat“ für 30 Euro beschlossen.
Bei Sozialdemokrat Kreins geht die grundsätzliche Skepsis noch weiter. Fahrscheinloses Fahren sei zu teuer, befürchtet er. Man müsste das Angebot „erheblich“ ausbauen, um die zusätzlichen Fahrgäste zu stemmen. Und die Zwangsabgabe sei wohl „verfassungsrechtlich bedenklich“. Kreins würde lieber das bestehende System reformieren. „Das Tarifsystem sollte sozialer sein“, findet er. So wäre es gut, wenn etwa Hartz-IV-Empfänger nur noch so viel zahlen müssten, wie das Amt ihnen für ÖPNV zubilligt.
Susanne Memarnia
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