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Migranten interessieren nicht

Reform Der WDR will sein Programm verjüngen. Doch nicht nur die Traditionssendung „Hier und Heute“soll weichen, sondern auch die einstige „Integrationsoffensive“, das Magazin „Cosmo TV“

von René Martens

Der Rundfunkrat des WDR tagt öffentlich, aber zu Wort melden dürfen sich die anwesenden Bürger und Journalisten nicht. Als am Freitag Besucher der Rundfunkratssitzung in Köln ein Transparent hochhielten, war die Vorsitzende Ruth Hieronymi (CDU) entsprechend verärgert: „Wir bitten von Meinungsäußerungen dieser Art abzusehen“, mahnte sie in Richtung Gästeblock.

Die von den Besuchern in bunten Buchstaben vorgebrachte Botschaft lautete „Hier und Heute bleibt“. Der Slogan bezieht sich auf den Plan der Programmdirektion, die unter der Woche im Vorabendprogramm laufende Reportage-Sendung „Hier und Heute“ einzustellen. Die Idee ist Teil einer Programmschema-Reform, mit der sich der WDR-Rundfunkrat bei der Sitzung zum ersten Mal befasste.

Dass der Sender sein Programm umbauen will, ist prinzipiell nachvollziehbar: „Die Zuschauerinnen und Zuschauer des WDR Fernsehens“ seien „mit durchschnittlich 64 Jahren so alt wie nie zu vor“, heißt es in einem Strategiepapier der Programmdirektion, das seit Kurzem kursiert. Man brauche also einen „grundlegenden Imagewandel“.

Doch führt man den herbei, indem man künftig ab 18 Uhr eine zusätzliche Ausgabe der Nachrichten „WDR aktuell“ anbietet? Hockt die „zentrale Eroberungsgruppe der 35- bis 55-Jährigen“, die der Sender zum Einschalten bringen will, dann vor der Glotze?

Das auf dem Transparent in der Rundfunkratssitzung gelobte Format „Hier und heute“ gibt es bereits seit 1957, im Dezember feierte man die 5.000. Folge. Der Protest am Freitag, der Hashtag #rettethierundheute und auch eine entsprechende Petition an die WDR-Programmdirektion führen etwas in die Irre, denn die Redaktion von „Hier und heute“ wird keineswegs aufgelöst. Das bisher samstags ausgestrahlte 30-minütige Format „Hier und heute unterwegs“ – zweimal für den Grimme-Preis nominiert –wird es weiterhin geben. Außerdem soll die Redaktion künftig Webdoku-Formate produzieren.

Wie die aussehen könnten, zeigt seit einer Woche das Projekt „#wowillstduhin“, das es dem Zuschauer ermöglicht, sich aus dem angebotenem Reportagematerial selbst einen Film zusammenzustellen. Trotzdem ist der Aufruhr verständlich. Vom Ende der Sendung unter der Woche sind zirka 30 freie Autoren betroffen, die regelmäßig Beiträge produziert haben.

Ulli Schauen, der das Handbuch für freie Autoren „WDR-Dschungelbuch“ verfasst hat, kritisiert, dass der Sender die von der geplanten Reform betroffenen Mitarbeiter im Unklaren lasse. Wo sie künftig im Sender unterkommen sollen, wisse niemand.

Der „deutsche Reihenhausbesitzer“ hat am „migrationsspezifischen Blick“ kein Interesse

Schwer verständlich ist zudem, dass die Reform auch vorsieht, das Magazin „Cosmo TV“ einzustellen. Die Sendung, die sich hauptsächlich an Migranten richtet – am vergangenen Sonntagnachmittag lief dort unter anderem ein Beitrag über einen muslimischen Krankenhausseelsorger und das lange Warten von Flüchtlingen auf die sogenannte Gesundheitskarte –, gibt es seit 2003.

Die Geschichte der Vorgängerformate reicht aber weiter zurück: Ab 1965 lief „Ihre Heimat – unsere Heimat“, später „Babylon“ und „Vetro – Café mit Weitblick“. Im Gegensatz zu „Hier und Jetzt“ hat „Cosmo TV“, von einer kleinen Redaktion produziert, intern keine Lobby.

Ein WDR-Mitarbeiter kritisiert, an der Spitze des WDR sei man offenbar der Ansicht, dass der vom Sender anvisierte „typische deutsche Reihenhausbesitzer“ an einem „migrationsspezifischen Blick“ kein Interesse habe. Zu Beginn der nuller Jahre hatte sich der WDR – unter dem damaligen Intendanten Fritz Pleitgen –noch seiner „Integrationsoffensive“ gerühmt.

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