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Der Ärger ist vorprogrammiert

WIE IMMER Heute wird der ZDF-Staatsvertrag unterschrieben. Und fast alles bleibt beim Alten

Der bislang hinter verschlossenen Türen agierende Fernsehrat tagt nun öffentlich

Immerhin: Den Zeitplan haben sie eingehalten. Wenn sich die 16 Damen und Herren der Länder heute in Berlin zur Ministerpräsidentenkonferenz versammeln, machen sie auch den Sack namens ZDF-Staatsvertrag zu – und lösen damit gleich neuen Ärger aus. Weniger Einfluss des Staates beziehungsweise seiner Politik, dafür mehr gesellschaftliche Vielfalt soll in den Gremien des Zweiten Deutschen Fernsehens ab 2016 vertreten sein, hatte das Bundesverfassungsgericht im März 2014 geurteilt. Und en passant mal eben festgestellt, dass die Zusammensetzung des 77-köpfigen ZDF-Fernsehrats seit Sendergründung nicht verfassungsgemäß gewesen sei.

Nur noch maximal ein Drittel der Menschen im obersten ZDF-Gremium, das unter anderem den Intendanten wählt und mitbestimmt, ob die Mainzer überteuerte Sportware wie die Champions-League-Senderechte einkaufen, darf künftig „staatsnah“ sein. Noch rechnet Karlsruhe 44 der 77 Sitze der „Staatsbank“ zu. Weil die Politik in einem ersten Schritt beschlossen hat, die für ein eigenes kleines Fußballturnier taugliche Personenzahl ab 2016 auf nur noch 60 FernsehrätInnen zu beschränken, bleiben nunmehr 20 Sitze auf der „Staatsbank“. 16 Vertreter entsenden die 16 Bundesländer, zwei kommen vom Bund und zwei von den kommunalen Spitzenverbänden.

Von Baden-Württemberg und Thüringen mal abgesehen, kommen diese Ländervertreter von den Volksparteien SPD und Union. Die regieren als Zuchtmeister des öffentlich-rechtlichen Rundfunks schon heute über ihre „Freundeskreise“ in den Sondergremien vorab alles Wesentliche. Das angesichts der tatsächlichen (partei-)politischen Verhältnisse völlig überkommene Zweilagersystem wird beim ZDF also munter fortgeschrieben. Die kleineren Parteien bleiben außen vor.

Außerdem hatte Karlsruhe der Politik aufgegeben, dass künftig „neben großen, das öffentliche Leben bestimmenden Verbänden untereinander wechselnd auch kleinere Gruppierungen Berücksichtigung finden und auch nicht kohärent organisierte Perspektiven abgebildet werden“ sollen. Davon findet sich im neuen Staatsvertrag herzlich wenig: Die Vertretung der gesellschaftlichen Gruppen wird überwiegend fortgeschrieben. Auch die umstrittenen Opfer des Stalinismus und die Vertriebenen dürfen sitzen bleiben.

Für die grüne Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner ist damit „die Chance vertan, einen modernen ZDF-Staatsvertrag auf den Weg zu bringen“. Eine wirkliche gesellschaftliche Debatte über die Rolle des ZDF und damit den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk habe nicht stattgefunden, so Rößner – was der ZDF-Fernsehratsvorsitzende Ruprecht Polenz von der CDU genauso sieht: Selbst über TTIP werde transparenter diskutiert als über die ZDF-Reform, monierte Polenz im März nach einer Fernsehratssitzung.

Immerhin: Die Muslime kommen rein – nicht als kirchliche Vertreter, da bleibt es streng abendländisch, sondern als Entsandte des Landes Niedersachsen. Quasi als Pate schickt jedes Land eine gesellschaftliche Gruppe ins Rennen, Hamburg kümmert sich um „Musik“, Hessen um die „Migranten“ und der Freistaat Sachsen um den „ehrenamtlichen Zivil- und Katastrophenschutz“. Während künftig also THW und freiwillige Feuerwehren streiten dürfen, wer von ihnen den nächsten Intendanten wählt, geht die Jugend leer aus: Ihr Vertreter wird in „Senioren, Familie, Frauen und Jugend“ eingemeindet. Nach anfänglichen Querelen gibt es ab 2016 auch einen Sitz für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle.

Nach zwei Amtsperioden – also acht Jahren – will man erneut überprüfen, wie sinnvoll dies alles ist. Noch etwas hat sich geändert: Der bislang hinter verschlossenen Türen agierende Fernsehrat tagt schon seit der letzten Sitzung öffentlich. Dirk Döll

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