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US-SüdstaatenSpätes Urteil im Rassismus-Mord

43 Jahre nach der Tat wird ein ehemaliges Ku-Klux-Klan-Mitglied im Mordfall zweier Schwarzer schuldig gesprochen. Sein Mittäter wird nicht belangt.

Auf dem Weg zum Gericht: James Ford Seale Bild: ap

BERLIN taz Aufgeklärt war der rassistische Mord an zwei 19-jährigen Schwarzen im US-Bundesstaat Mississippi schon nach wenigen Monaten - doch erst an diesem Donnerstag, 43 Jahre später, ist einer der Täter auch von der Justiz schuldig gesprochen worden. Der inzwischen 71-jährige James Ford Seale ist nach Auffassung einer Geschworenenjury in Jackson, Mississippi, für die Entführung von Charles Eddie Moore und Henry Hezekia Dee verantwortlich.

Seale, wie schon sein Vater in den 60er Jahren aktives Mitglied des rassistischen Ku Klux Klans und der besonders gewalttätigen Gruppierung White Knights, nahm die späte Verurteilung ohne jede Regung auf.

Die Morde an den beiden Teenagern hatten seinerzeit für großes Aufsehen gesorgt, reihten sie sich doch ein in eine ganze Serie von rassistischen Übergriffen in Mississippi 1964. Einer der bekanntesten Fälle, die Ermordung dreier Bürgerrechtler, hatte den Stoff für den Kinofilm "Mississippi Burning" geliefert. Der Mörder, Edgar Ray Killen, war im vergangenen Jahr 80-jährig zu dreimal 60 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Seale, dem nicht Mord sondern Entführung und Verschwörung vorgeworfen werden, droht lebenslange Haft. Das Urteil über das Strafmaß soll am 24. August gefällt werden.

Charles Eddie Moore und Henry Hezekiah Dee, beide in den ärmlichen Verhältnissen der schwarzen segregierten Unterschicht der US-Südstaaten aufgewachsen, standen am 2. Mai 1964 auf der Suche nach einer Mitfahrgelegenheit an der Durchgangsstraße von Meadville, ihrer kleinen Heimatstadt im Südwesten des Bundesstaates, die heute 507 Einwohner und 19 Kirchen aufweist. Mitgenommen wurden sie von schließlich vom damals 28-jährigen James Ford Seale und Charles Marcus Edwards - beide Angehörige des Ku Klux Klan. Die Männer fahren die beiden Jugendlichen in ein Waldgebiet fesseln sie an einen Baum, schlagen sie mit Stöcken fast tot, wollen Informationen über eine angebliche Verschwörung von Black Muslims. Die Jungen wissen von nichts, schreien irgendwelche Namen, damit die Schläge aufhören. Doch sie hören nicht auf. Fast tot werden die beiden Körper in einen Wagen geladen, an schwere Gewichte gebunden, darunter der Motorblock eines ausrangierten Autos, und noch lebend in den Mississippi geworden, wo ihre Leichen Monate später per Zufall entdeckt werden.

Kurz darauf, im November 1964, werden Edwards und Seale vom FBI verhaftet, fünf Tage später gegen Kaution wieder freigelassen - und kurze Zeit später werden auch die Anklagepunkte gegen die beiden ohne Angabe von Gründen einfach fallen gelassen.

Der Fall ruht 30 Jahre lang, bis 1998. Da beginnt der Bruder von Charles Eddie Moore, Thomas Moore, einen neuen Kampf um Gerechtigkeit für seinen ermordeten Bruder. 2005 kehrt der pensionierte Armeeveteran zusammen mit dem kanadischen Filmemacher David Ridgen in die Gegend um Meadville zurück. Zu ihrem Erstaunen finden sie heraus, dass auch der totgeglaubte James Ford Seale noch lebte. Edwards erklärt sich gegen Zusicherung von Straffreiheit bereit, als Kronzeuge gegen Seale auszusagen. Im Januar diesen Jahres kommt es zur Anklage, Seale wird verhaftet - jedoch nicht wegen Mordes vor Gericht gestellt, sondern nur wegen Entführung und Verschwörung.

Dessen hat ihn die Jury in Jackson jetzt für schuldig befunden - und während Seale sich in einem Kreisgefängnis darauf einrichtet, den Rest seiner Tage hinter Gittern zu verbringen, kann Mittäter und Ex-Klansmann Edwards auf die Zusicherung der Justiz vertrauen, nicht belangt zu werden. Das, so hatten die Anwälte der Angehörigen versichert, sei die einzige Möglichkeit gewesen, nach so langer Zeit überhaupt eine Verurteilung zu erreichen. Die Angehörigen der Opfer sind froh drum. Im Februar hatten Bundesermittler angekündigt, rund ein Dutzend ungesühnter rassistischer Morde aus den 60er Jahren neu aufzurollen.

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