Frauenlöhne: Der kleine Unterschied

Donnerstag beginnt der Prozess gegen Süderelbe Logistik, weil die Firma Frauen schlechter bezahle als Männer. Der erste Prozess nach dem Antidiskriminierungsgesetz. Aber kein Einzelfall.

Wer ist Mann, wer Frau? Die Antwort findet sich auf dem Lohnzettel. Bild: dpa

Es muss ein rauschendes Fest gewesen sein. Am 1. Juni 2007 weiht die Süderelbe Logistik GmbH, ein mittelständisches Unternehmen mit Sitz in Hamburg, eine neue Halle für Maschinenbau und Logistik ein. Von hier aus soll die norddeutsche Automobilindustrie just in time beliefert werden. Unter den 150 Gästen ist der Staatsrat der Hamburger Wirtschaftsbehörde, Gunther Bonz (CDU). In seinem Grußwort lobt er die Süderelbe Logistik als "innovatives" Unternehmen, das weitere "zukunftsfähige Arbeitsplätze" schaffe.

Was der Staatsrat nicht erwähnt: Die von ihm gepriesene Firma betreibt Lohndiskriminierung in großem Ausmaß. Frauen und Männer werden für die gleiche Arbeit ungleich bezahlt. Die vollzeittätigen Mitarbeiterinnen verdienen 269,35 Euro bis 335,35 Euro im Monat weniger als ihre männlichen Kollegen.

Vor dem Arbeitsgericht Hamburg streiten deswegen am Donnerstag Betriebsrat und Geschäftsführung über die Gleichbehandlung der im Lagerbereich tätigen Frauen und Männer. Es ist das erste Mal seit der Übernahme der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinie in Deutschland vor knapp einem Jahr, dass ein Betriebsrat ein solches Verfahren anstrengt. Bislang konnten nur Einzelpersonen gegen ihre individuelle Diskriminierung vor den Arbeitsgerichten klagen.

Betroffen von der ungleichen Bezahlung bei der Süderelbe Logistik GmbH sind vor allem Frauen, die mit Lagertätigkeiten, Kommissionierung und Verpackung betraut sind. Während ihre männlichen Kollegen für die gleiche Arbeit gemäß des Lohntarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Speditions- und Logistikbereich Hamburg bezahlt werden, gilt für die Frauen der Gehaltstarifvertrag für die kaufmännischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Zufälligerweise ist dieser Vertrag deutlich schlechter als der Lohntarifvertrag. Andere Frauen, ebenfalls aus dem Lagerbereich, haben überhaupt keinen Tarif, auf den sie sich berufen können. Sie werden "AT" bezahlt. Das heißt außertariflich und meint hier, salopp gesagt, so viel wie: mieser als jeder Tarifvertrag.

Die Unverfrorenheit, mit der Löhne strikt nach Geschlecht bemessen werden, erstaunt selbst Experten wie den Hamburger Arbeitsrechtler Klaus Bertelsmann. Seit Jahrzehnten untersucht er die unterschiedlichen Diskriminierungen im Erwerbsleben. Vor dem Arbeitsgericht wird er den Betriebsrat der Süderelbe Logistik als Anwalt vertreten. Er sagt: "So schlichte Formen der Frauendiskriminierung findet man heute nicht mehr so häufig."

Trotzdem brauchte es Jahre, bis diese öffentlich wurden. Kein Mitarbeiter kann sagen, wann genau die sexistische Lohnpolitik in den Betrieb Einzug hielt. Transparenz und Offenheit gehörten wohl nicht zur Unternehmenskultur. "Jahrelang", sagt ein Arbeiter, "wurde uns bedeutet, dass über Löhne nicht geredet werden darf." Die meisten hätten sich daran gehalten - aus Angst, ihren Job zu verlieren.

In Deutschland werden Frauen beim Lohn besonders benachteiligt. Bild: taz

Dass sie sich jetzt doch trauen, sich zu wehren, liegt auch an dem neuen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, wie das Antidiskriminierungsgesetz offiziell heißt. Ihm zufolge können bei groben Verstößen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz neuerdings der Betriebsrat oder auch eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft die Rechte der Beschäftigten geltend machen. Früher hatten nur die einzelnen Betroffenen diese Möglichkeit, die allerdings mit dem Risiko verbunden war, anschließend gemobbt, versetzt oder sonst wie rausgeekelt zu werden.

"Wir fordern jetzt", sagt der Betriebsrat Lars Krischak, "dass die Geschäftsführung alle betroffenen Frauen in den Lohntarifvertrag umgruppiert und entsprechend bezahlt." Konkret geht es um mindestens 37 Kolleginnen. "Die genauen Zahlen kennen wir nicht, wir wissen nicht einmal, wie viele Beschäftigte das Unternehmen insgesamt hat", klagt Krischak. Schon vor Monaten habe der Betriebsrat die Geschäftsführung schriftlich um eine entsprechende Mitteilung gebeten. Erfolglos. Der Betriebsrat schätzt die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf 200, laut der Internetseite des Unternehmens sind es 300.

Seit der Betriebsrat das Arbeitsgericht eingeschaltet hat, ist die Kommunikation mit der Geschäftsführung zum Erliegen gekommen. Der Betriebsratsvorsitzende wurde in eine abgelegene Abteilung versetzt. Erst durch eine einstweilige Verfügung konnte diese Maßnahme rückgängig gemacht werden. Eine solche Verfügung war auch nötig, um das Verbot aufzuheben, mit dem die Firmenleitung einigen vermag zuBeschäftigten untersagen wollte, an einer Betriebsversammlung teilzunehmen.

Der Geschäftsführer der Süderelbe Logistik GmbH, Hans-Dieter Kirschstein, war bis Redaktionsschluss für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. In einem Schreiben an das Arbeitsgericht Hamburg, das der taz vorliegt, beteuert er: "Die Süderelbe Logistik GmbH behandelt grundsätzlich alle Beschäftigten [] gleich. Wir benachteiligen keine Beschäftigten wegen ihres Geschlechts, Rasse oder ethnischen Herkunft, Religion oder Weltanschauung, dem Alter, einer Behinderung und/oder sexueller Identität." Dass Frauen und Männer in seinem Unternehmen dennoch ungleich bezahlt werden, erklärt er sich so: "Die unterschiedliche Eingruppierung resultiert aus einer Lücke im gewerblichen Lohntarifvertrag." Wo die Lücke tatsächlich klafft, wird das Arbeitsgericht Hamburg heute feststellen.

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