Presse G-8: Im Konfliktfall mangelhaft

Eine Studie zeigt Mängel in der Berichterstattung über den G-8-Gipfel auf. Journalisten prüfen Angaben zu selten nach.

Posten eines Fernsehsenders für Live-Übertragungen aus Kühlungsborn. Bild: dpa

Die viel kritisierte Arbeit der überregionalen Medien zum G-8-Gipfel wies journalistische Mängel auf. Das bestätigt eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB). Insgesamt aber sei die Berichterstattung "nach Maßgabe der immanenten journalistischen Kriterien halbwegs zufriedenstellend ausgefallen", so der Bewegungsforscher und Leiter der Studie Dieter Rucht.

"Journalistische Qualitätsstandards sind vor allem in Konfliktsituationen verletzt worden", sagte Rucht der taz. So seien beispielsweise während der Blockaden durch G-8-Kritiker um Heiligendamm Meldungen der Polizei zu Gewalttaten der Demonstranten unhinterfragt übernommen worden. Oftmals sei nicht einmal eine Quelle angegeben. Bei der Berichterstattung über Proteste scheint die Verifizierung von Informationen, eine wesentliche Norm journalistischen Arbeitens, nur selten stattzufinden", heißt es in der Untersuchung. Dabei gebe es auch in unübersichtlichen Situationen "Quellen, die nicht selbst unmittelbar Partei sind und zur Rekonstruktion von Abläufen befragt werden könnten".

Nur wenige Journalisten hätten versucht, die "Darstellung der Konfliktparteien durch Beobachter oder Unbeteiligte zu prüfen". Als Beispiel führen die WZB-Forscher die hohen Angaben der Polizei über die Zahl der Beamten an, die während der Großdemonstration am 2. Juni 2007 verletzt worden sein sollen. Die Polizei hatte zunächst von 30 Schwerverletzten gesprochen. Sie musste die Zahl aber später korrigieren, nachdem durch Recherchen herausgekommen war, dass nur zwei Beamte länger im Krankenhaus behandelt worden waren. Die Untersuchung der Berliner Wissenschaftler wertete Berichte der großen überregionalen Zeitungen und verschiedener Wochenmagazine aus. "Die Studie hat allerdings explorativen Charakter, denn wir haben bei weitem nicht alle Texte ausgewertet", erklärte Dieter Rucht. Mit einer vollständigen Medienanalyse werde demnächst begonnen. Eine ähnlich umfangreiche Untersuchung startete die Journalistengewerkschaft DJU kurz nach den Protesten. Deren Ergebnisse sollen im Frühjahr nächsten Jahres vorliegen.

Positiv bewertet Rucht, dass die Berichterstattung über die G-8-Proteste trotz der genannten Mängel eine merklich höhere Qualität gehabt habe als bei früheren Ereignissen dieser Art. "Bis noch vor wenigen Jahren waren sehr viele dieser Texte quasi faktenfrei", sagte Rucht, der in einer Langzeitstudie die Berichterstattung über Proteste seit den 50er-Jahren untersucht. "Den Redakteuren war es wichtiger, ihre Meinung zu sagen und ihre Sympathie für eine der Parteien zu bekunden, als zu berichten, was tatsächlich vorgefallen war." In Heiligendamm hätten die Medien zum einen größere Distanz gewahrt und zum anderen auch essentielle Fragen beantwortet, wie beispielsweise die, "wer überhaupt wann warum und wogegen demonstriert".

Diese Fortschritte entschuldigten allerdings nicht die begangenen Fehler, sagte Dieter Rucht weiter. Er vermisse eine selbstkritische Debatte unter den Journalisten: "Es gab da ein, zwei Stimmen, die Missstände eingeräumt haben, aber allzu viele Berichterstatter scheinen die Mängel ihrer Arbeit nicht zu beschäftigen."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.