"Tatort": Im Netz der Verschwörer

Mit "Strahlende Zukunft" gelingt der Bremer "Tatort"-Redaktion ein düsterer Politkrimi. Sicher erscheint in diesem Angstszenario nur eines: Analog ist besser.

Gewagter Paranoia-Plot: Schauspieler Constantin von Jascheroff und Henriette Confurius Bild: ARD

Die Tote hat das Wort. Gleich am Anfang sehen wir die Videobotschaft, die Sandra Vegener (Inka Friedrich) mit wackeliger Kamera für ihren Sohn aufgenommen hat, als sie noch am Leben war. Kurz darauf wird die Verzweifelte mit dem Auto einen Staatsanwalt über den Haufen fahren, um schließlich vom Bremer Justizhochhaus zu springen.

Nun erzählt sie aber erst mal von einem monströsen Komplott; von einem internationalen Funkmobilkonzern, der den Leukämietod ihres anderen Kindes auf dem Gewissen hat; von einer obskuren Bestrahlung, der man sie selbst ausgesetzt hat, um sie mundtot zu machen; von der Bremer Justiz, die bis in die obersten Positionen mit drinhängt in der Geschichte. Kurz und gut, die Verstorbene hatte wohl einen ordentlichen Hackenschuss.

Radio Bremen hat es wieder getan: Die klitzekleine ARD-Anstalt hat ein weiteres Mal das ganz große Verschwörungsszenario entworfen. In der "Tatort"-Redaktion des Senders diskutiert man brisante Stoffe ja nicht so lange durch, bis am Ende Konsensware rauskommt. Man geht in Bremen aufs Ganze, oft scheitert man. Manchmal furios, gelegentlich kläglich. Aber dann gibt es eben auch Folgen, in denen sperrige gesellschaftspolitische Themen in tadellose Thriller filtriert werden. So wie etwa im "Tatort" "Scheherazade", einem kunstvoll zerklüfteten Schocker, der die Terror-Paranoia nach dem 11. September reflektierte.

Drehbuchautor Christian Jeltsch, der für "Scheherazade" verantwortlich zeichnete, gelingt es nun eben auch noch einmal mit "Strahlende Zukunft" glaubhaft, globale Phänomene einer militarisierten Gesellschaft für das beschauliche Bremer Soziotop zu verdichten. So lenkt er den Telekommunikationsreißer durchaus plausibel in Richtung Strahlenwaffen, also jener Gattung von Wehrapparatur, die durch Mikrowellen den Gegner kampfunfähig machen soll. "Nicht tödliche Waffen" nennt der Lobbyist die neue, angeblich schon im Irakkrieg getestete Technik.

Dass man sich auf den gewagten Paranoia-Plot (Regie: Mark Schlichter) einlässt, liegt vor allem daran, dass der psychologische Unterbau umso solider ist. Erzählt wird aus der Perspektive von Kommissarin Lürsen (Sabine Postel bei einem würdigen 10-jährigen Ermittlerinnen-Dienstjubiläum), die am Anfang Mord und Selbstmord vor und auf dem Justizgebäude hilflos mit ansehen musste.

So steigt man also mit ihr hinab in ein Labyrinth aus Mobilfunkexpansionismus, Waffeninnovation und Rechtsbeugung. Sicher erscheint in diesem Angstszenario aus der Welt der kabellosen und durchdigitalisierten Telekommunikation eigentlich nur eines: Analog ist besser.

Sonntag, 20.15 Uhr, ARD

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