The Hives im Konzert: Perfektion in engen Hosen

Kann eine Show zu durchkalkuliert sein? Die Hives in der Berliner Columbiahalle machten einfach alles richtig: Anzüge tragen, sich cool verrenken, den Laden auf den Kopf stellen.

Die Pure Lust an der Selbstinszenierung: Sänger Pelle Almqvist. Bild: ap

Die Hives sind Musiker, um die man sich nicht sorgen muss. Denn sie sind schlau und machen alles richtig. Auch wenn sie die erste Single ihres neuen Albums für einen Nike-Werbespot hergeben, sind sie nicht uncool, sondern einfach freundlich zu den nordamerikanischen Hörern, die sonst vielleicht nichts von ihnen mitbekommen hätten. Schon ihr Durchbruch mit dem Album "Veni vidi vicious" im Jahr 2000 dockte ultrasmooth an die anbrandende The-Band-Welle an, und mit "Tyrannosaurus Hives" vor drei Jahren machten sie die Sache rund: The Hives sind unbestritten große Kaliber im überfüllten Garage-Rock-Zirkus unserer Tage - fünf Schweden in Mod-Anzügen und mit einem ausgeprägten Gespür für die Segnungen jahrzehntelang gereifter Gitarrenmusikkonzepte: zupackende Riffs, mitsingtaugliche Refrains, energischer Auftritt, hohe Geschwindigkeit, kurze Songs.

Nach fast drei Jahren Arbeit haben die Hives jetzt ein neues Album veröffentlicht, auf das zwar niemand wirklich gewartet hat - wie gesagt, der Garage-Rock-Zirkus ist zurzeit gut bestückt -, das aber trotzdem gut geworden ist. Die Hives haben sich nicht lumpen lassen und eine ganze Reihe großformatiger Produzenten aufgesucht. Sie waren etwa bei Pharrell Williams. Was für ein paar funkige, fast motownhafte Ausreißer aus dem herkömmlichen Punk-n-Roll-Sound sorgt, die den Titel "The Black and White Album" auch jenseits der Hives-typischen divenhaften Metallica-/Beatles-Gigantomanie sinnfällig machen.

Am Dienstag spielten die Hives in Berlin. Der Saal war vollständig voll. Die Immersion des Publikums quasi total. Tausende von Bürgerkindern verwandelten sich in eine schiebende, hüpfende und crowdsurfende Pogo-Masse, dabei nett natürlich und ohne Wehtun. Das Bühnenbild mit dem roten Neonschreibschriftzug und dem von innen leuchtenden Schlagzeugpodest war geschmackvoll, das Outfit der Herren ebenso: eng geschnittene Anzughosen, eng anliegende Hemden, weiße Lackschuhe, schwarzweißgestreifte Krawatten, schwarzweiße Saiten- und Schlaginstrumente.

Der Sound stimmte, die Lust der Musiker an der Selbststilisierung wirkte echt. Schlagzeuger Chris Dangerous reckte zwischen jedem Schlag auf die Snare den Arm in koordinatorischer Höchstleistung senkrecht in die Höhe. Gitarrist Nicholaus Arson stand wie Buddy Holly in der Hüfte abgeknickt da, die Fußspitzen nach innen gedreht, den Kopf zuckend, und spuckte wie ein Lama, meist zur Seite, manchmal auf seine Spielhand. Sänger Pelle Almqvist lieferte mit dem mimischen Potenzial des jungen Hape Kerkeling krähend und croonend eine supersouveräne Performance ab. Für die Zwischenmoderationen bediente er sich des schwarzen Predigergestus - "Ladies and gentlemen, aaa wanna tell ya a story now, the story of the Haaaves. Allow me to focus and clap ya hands while aaa do!" -, und auch im unablässigen Einfordern von Publikumslautstärke wirkte er missionarisch getrieben. Er kletterte auf Boxen, wackelte mit dem Po, drückte das Kreuz durch, wischte sich affektiert den Schweiß von der Stirn, lehnte sich skulptural in die sich ihm entgegenreckenden Fanarme und sprang den Sprung der Sprünge: ein Bein nach vorne ausgestreckt, das andere nach hinten oben abgewinkelt. Nur Rhythmusgitarrist und der Bassist mussten weiter nichts machen - weil sie ein bisschen dick sind und nicht so cool.

An die experimentelleren Stücke des neuen Albums trauten sich die Hives live allerdings nicht heran und schoben lieber die todsichere Nummer. Das war mitreißend durchkalkuliert. Und so bruchlos, dass man sich irgendwann wünschte: Würde doch der Schlagzeuger nach einem artistischen Wurf seinen Stick mal nicht fangen, würde doch Almqvist nach einem abenteuerlichen Mikrofon-Schlenker das Ding mal nicht mehr in den Griff bekommen. Würden doch die Security-Männer die vorne ankommenden Crowdsurfer nicht mehr sanft in Empfang nehmen, sondern in den Orchestergraben stürzen lassen, würden die Bühnenhelfer doch aufhören, ständig die Kabel zu entknoten und die heranfliegenden BHs wegzuräumen. Würden doch die nass geschwitzten Besucher nach dem Konzert nicht nach und nach in die schon Schlange stehenden Taxen steigen. Aber so ist das eben: Eine gute Rock-n-Roll-Show will eher mehr Show und eher weniger Rock n Roll.

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