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Wahlrechtsreform per VolksbegehrenDemokratie entfaltet sich

"Mehr Demokratie" startet Volksbegehren für mehr Wählerrechte: 16-Jährige und Ausländer sollen mit abstimmen, Stimmhäufung soll erlaubt werden.

Das schafft der Berliner auch: Hesssischer Wähler mit großem Wahlzettel und großem Einfluss Bild: AP

Die Stimmzettel bei der nächsten Abgeordnetenhauswahl im Jahr 2011 sollen deutlich größer werden. Bis dahin will der Verein Mehr Demokratie eine weitreichende Wahlrechtsreform durchsetzen. Dann sollen die Wähler ihre Stimmen auf mehrere Parteien verteilen und unliebsame Kandidaten von den Listen streichen können. Zudem sollen bereits 16-Jährige und auch Ausländer ihre Stimme abgeben dürfen (siehe Kasten). Durchsetzen will der Verein die Reform über eine Volksinitiative und ein Volksbegehren. Für beides würden wahrscheinlich ab Mitte März Unterschriften gesammelt, sagte Michael Efler, Vorstandsmitglied bei Mehr Demokratie e. V. Sollten sich genug Unterstützer finden, käme es im Herbst 2009 zu einem Volksentscheid.

DIE WICHTIGSTEN ZIELE DER WAHLRECHTSREFORM

Wahlrecht für Jugendliche: 16-Jährige sollen künftig neben Bezirksparlamenten auch das Abgeordnetenhaus mitwählen dürfen. Derzeit muss man dafür 18 sein.

Wahlrecht für Ausländer: Die Initative will für alle seit mehr als fünf Jahren in Berlin lebenden Ausländer das Wahlrecht auf Bezirks- und Landesebene. Bisher dürfen sich nur EU-Ausländer nur auf Bezirksebene beteiligen.

Senkung der Prozenthürden: Für den Einzug ins Abgeordnetenhaus sollen 3 statt 5 Prozent der Zweitstimmen reichen. Bei Bezirksparlamenten soll die Dreiprozenthürde komplett wegfallen.

Kumulieren und panaschieren: Statt einer hat der Wähler künftig fünf Stimmen. Die kann er alle einer Partei geben, dann ändert sich nichts. Das nennt sich kumulieren. Oder er verteilt sie auf zwei oder mehr Parteien, etwa um seine Präferenz für eine Koalition auszudrücken. Das nennt sich panaschieren.

Streichliste: Wähler können ihnen unliebsame Kandidaten von den Parteilisten streichen. Selbst für die Spitzenkandidaten der Parteien wäre damit kein Parlamentssitz mehr sicher.

Mehrmandatswahlkreise: In derzeit 78 Wahlkreisen bekommt nur der Kandidat mit den meisten Erststimmen einen Sitz im Abgeordnetenhaus. 2005 reichten den Kandidaten dafür teils 28 Prozent. Damit die restlichen Voten zur Geltung kommen, soll es künftig nur noch 23 Wahlkreise geben, die dann je nach Größe die drei bis sieben Kandidaten ins Parlament entsenden können.

Beim Ausbau der Bürger- und Volksbegehren vor zwei Jahren hatte Mehr Demokratie noch die Unterstützung aller Fraktionen im Abgeordnetenhaus. Diesmal sind die Politiker zurückhaltender. "Vor allem die Öffnung der Wahllisten empfinden die Parteien als Frontalangriff", sagt Efler.

Ein Wahlrecht für 16-Jährige sei durchaus "okay", sagt etwa Klaus Lederer, Landesvorsitzender der Linken. Eine pauschale Unterstützung für das Volksbegehren werde es aber nicht geben. Nicht alle Punkte seien vernünftig, da müsse im Einzelnen noch diskutiert werden.

Auch der Fraktionschef der Grünen, Volker Ratzmann, gibt sich abwartend. Grundsätzlich sei die Initiative durchaus attraktiv. Man müsse aber fragen, wie sich etwa die vorschlagenen Mehrkandidatenwahlkreise praktisch auf die Politik auswirken würden. Der Landesausschuss der Grünen will heute Abend darüber beraten, ob die Partei das Volksbegehren unterstützen soll. Benedikt Lux, demokratiepolitischer Sprecher der Fraktion, plädiert für die Wahlrechtsreform. Er fürchtet jedoch, dass seine Parteifreunde "eher wie Parteifunktionäre als wie Wähler denken".

Efler will erst gar nicht auf die Unterstützung der Parteien warten: "Das würde ewig dauern und nur zu einer uninteressanten Lösung führen."

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