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Regisseur Hong Sang-soo"Ich bin wie ein Magnet"

Der koreanische Regisseur Hong Sang-soo, der im Wettbewerb mit "Nacht und Tag" seinen achten Film zeigt, im Interview über Symmetrie und Logik.

Folgt keiner Hollywood-Logik: Bam gua Nat. Bild: berlinale

taz: Herr Hong, Sie haben mit "Nacht und Tag", Ihrem achten Film, erstmals außerhalb Koreas gedreht. Der Film spielt fast vollständig in Paris. Wie kam es dazu?

Hong: Ich hatte schon länger die Idee, im Ausland zu drehen. Ich habe einige Zeit in den USA gelebt und studiert - in San Francisco und Chicago. Das ist aber schon recht lange her. 1991 habe ich ein Jahr in Paris verbracht. Auf dieser Erfahrung basiert - wie lose auch immer - der Film.

Paris ist vielleicht die meistgefilmte Stadt der Welt, jedes Bild wird schnell zum Klischee. Hat Sie das nicht eingeschüchtert?

Überhaupt nicht. Klar, es gibt die Kritiker, die mir immer schon eine große Nähe zum französischen Kino unterstellt haben. Aber auch das war mir egal. Ich habe mir gedacht: Was solls? Ich drehe hier meinen Film.

Ich weiß, dass Sie über Ihre Intentionen, über den Sinn Ihrer Filme, über die Moral der Geschichten und die Motivationen der Figuren grundsätzlich nicht sprechen wollen (Hong nickt) lassen Sie uns deshalb über den ungewöhnlichen kreativen Prozess sprechen, in dem Ihre Filme entstehen. Sie gehen nicht von einem Plot aus, sondern von einzelnen Elementen, Bruchstücken, Motiven. Wie war das bei diesem Film?

Ich hatte mich an dieses eigentlich ganz banale Erlebnis erinnert, als ich meine Frau aus den USA anrief. Während es bei mir Tag war, war es bei ihr Nacht. Dies zur Grundlage eines Films zu machen, war eine der Ausgangsideen. Das Wichtigste bei der Entstehung eines Films ist für mich aber immer die Neugier, also eine Form des Nichtwissens. So wusste ich irgendwann zwar, wie ich beginnen wollten: mit einem Mann, der das erste Mal in seinem Leben kifft, verpfiffen wird und aus diesem lächerlichen Grund Hals über Kopf nach Paris flieht. Und ich wusste auch, dass er am Ende aufgrund einer gut gemeinten Lüge wieder zurückkehren würde. Ich wusste aber nicht: Wie komme ich von diesem Anfang zu diesem Ende? Es ist ganz wichtig, dass ich das nicht weiß. Ich darf es selbst erst nach und nach erfahren.

Wie spontan fügen Sie Elemente hinzu? Ist Ihnen beispielsweise der Spatz, den man in Ihrem Film zweimal sieht, als Idee im Entstehungsprozess zugeflogen?

Der Spatz stand schon im Treatment. Ein Treatment brauche ich in erster Linie, um überhaupt Geld zu bekommen und Produzenten von der Idee zu überzeugen; vor allem Dinge, die Vorbereitung und Planung brauchen, sollten schon im Vorhinein feststehen. Aber der Inhalt des Treatments macht nicht mehr als dreißig Prozent des fertigen Films aus; es gibt fast keine Dialoge darin.

Wie sieht dann der Dreh aus?

Ich drehe nach Möglichkeit chronologisch. Die Dialoge schreibe ich immer erst morgens am Drehtag. Ich schalte den Computer und den Drucker an, schaue mich am Drehort um und schreibe. Die Einflüsse und Ideen kommen dabei von überall. Ich bin beeinflusst von dem Material, das wir schon gedreht haben, ich spreche kurz mit den Schauspielern, ich konzentriere mich und bin dann so etwas wie ein Magnet, der Ideen, Einfälle, Motive anzieht. Natürlich mache ich mir in der Nacht davor auch schon Gedanken, entwerfe Pläne, aber dann lasse ich los und versuche einfach anzunehmen, was mir zufällt. Vielleicht Gesprächsfetzen, die ich erinnere, vielleicht etwas aus einem Buch Das ist etwas, das ich sehr genieße: Ich warte einfach auf das Unerwartete.

Wann entsteht dann das Bild des Ganzen?

In gewisser Weise entsteht es nie. Ich gleiche zwar einzelne Elemente miteinander ab, ich erkenne Korrelationen, ich merke, dass Motive zueinander passen. Aber selbst nach dem Schnitt liegt der Film noch nicht "fertig" vor mir.

Was Ihre Filme ordnet, sie organisiert, ist folglich nicht der Plot, nicht eine Geschichte?

Nein. Das ist nicht die Form, mit der ich arbeite. Natürlich brauchen meine Filme, wie jedes Kunstwerk, eine Form. Aber ich folge keiner Hollywood-Logik, auch keiner Erzähllogik. Ich muss meine Form jedes Mal wieder aufs Neue finden. In Symmetrien, in Wiederholungen, in bestimmten Muster. Die einzelnen Bruchstücke sind dabei zunächst ganz unabhängig, ganz kontextlos, sie treten zu dem, was schon existiert, von außen hinzu.

Das ist eine sehr interessante Methode, Filme zu machen. Haben Sie Vorbilder dafür, gibt es Regisseure oder Künstler, denen sie sich besonders nahe fühlen?

Nun, ich bewundere viele Filmemacher, Ozu, Buñuel, Murnau Aber der Künstler, dem ich mich am nächsten fühle, ist Paul Cézanne. Bei jedem Künstler stehen ja Abstraktion und Konkretion in einem bestimmten Verhältnis. Und bei Cézanne stimmt dieses Verhältnis für mein Gefühl einfach genau. Als ich zum ersten Mal Bilder von Cézanne sah, wusste ich sofort: Ja, das ist es!

INTERVIEW: EKKEHARD KNÖRER

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