Ist die CD-Qualität noch zu retten?: Laut, lauter, Einheitsbrei

"Laut!" ist das Credo der heutigen Musikproduktion. Darunter leiden Klangqualität und Nuancenreichtum. Heißt es daher bald: Vinyl ist neue CD?

Lieber leise: Cat Power. Bild: steve gullick

Düstere Nachrichten: Die Qualität von Pop- und Rock-CDs wird zunehmend schlechter, so das Fachmagazin Audio. Aber in Bezug auf Musikmedien gibt es auch eine gute Nachricht: Der Tod ist offensichtlich relativ. Denn die Schallplatte wurde seit der Erfindung der CD und ihrem großen Durchbruch um 1990 in regelmäßigen Abständen für tot erklärt. Zugleich freute sie sich in, zugegeben marginalen, Sparten der Musikindustrie einer nie nachlassenden Beliebtheit. Aus der Techno- oder Clubszene im Allgemeinen war die 12 Inch, die Maxi für den Club, nie wegzudenken. Coole DJs legen immer noch mit Vinyl, nicht mit dem Laptop auf und auch richtiges Scratchen geht nur auf diese Art.

Doch während man vor 15 bis 20 Jahren noch glaubte, Vinyl könne sich gegen den perfekten Sound einer CD nie durchsetzen, sieht es heute völlig anders aus - die CD als Musikträger ist auf dem absteigenden Ast und in den USA werden bereits die ersten nostalgischen Erinnerungsparties gefeiert. Das Time Magazine ruft ein Comeback der Schallplatte aus, besonders der wärmere Sound und die LP als soziales Ereignis habe in den USA zu einer Trendwende geführt. Mit Freunden im Plattenladen Musik anhören und die großen Booklets anzuschauen, bringe mehr Bindung zu den Künstlern und sei nicht so steril wie CDs oder isoliert über die Ipod-Kopfhörer MP3s zu hören. Und so sei die Nachfrage in den USA im letzten Jahr um bis zu 37 Prozent gestiegen und längst höher als das verfügbare Angebot.

Neben der Geschmacksfrage, ob Musik digital oder analog auf Schallplatte besser klingt, gibt es in der Musikindustrie eine Entwicklung, die inzwischen einen Höhepunkt, oder vielmehr Tiefpunkt erreicht hat.

Vor allem laut soll es sein, richtig knallen muss es. Und so wird - etwa seit dem Paradigmenwechsel zum Digitalen - Musik nicht einfach nur eingespielt, sondern anschließend auf eine bestimmte Weise gemastert und "gelimited", so dass sie durchgehend laut klingt. Und das geht auf Kosten der Dynamik, es gibt nicht mehr leise Passagen und einen lauten Refrain, sondern eine Art platt gebügelten Einheitsbrei. Dahinter stehen Marketinginteressen, denn so wirkt ein Stück einfach stark und catchy. Besonders für das Radio ist diese Form des Masterprozesses wichtig, denn hier muss die Gesamtlautstärke verschiedenster Lieder angeglichen werden, und das Niveau ist hoch. Ein dynamisches Stück würde dabei völlig untergehen, und entsprechend gibt es einen Zwang in der Musikindustrie auf Künstler und Produzenten, sich anzupassen.

Diese Tendenz wird, ebenfalls in regelmäßigen Abständen, von Musikproduzenten und Fachleuten kritisiert. Durch eine zusätzliche Komprimierung auf das MP3-Format kommt es zu einem Qualitätsverlust, den man hören kann. Das Ergebnis ist enttäuschend flach, undynamisch und, so warnt Audio, detailarm und emotionslos. Besonders deutlich werde der Effekt beim Remastern, also bei der Neuaufnahme und Klangbearbeitung alter Platten. Auch dahinter steht das strategische Ziel, sie besser vermarkten zu können.

"Den Kritikern geht es vor allem um die Eskalation der Lautstärke", sagt der Musikproduzent Norman Nietzsche. Er hat mit Berliner Künstlern wie Kissogram, Masha Qrella und Justine Electra gearbeitet. Doch das Phänomen sei alles andere als neu. Das französische Duo Daft Punk, das gern mit Motorradhelmen auf der Bühne steht, hat schon 1997 mit "Homework" neue Maßstäbe in Bezug auf Noise gesetzt. Alles laut bis zum Anschlag - aber nicht auf Drängen des Labels, sondern als explizit und erfolgreich eingesetztes Stilmittel. Überkomprimieren als Kunst also. Ihre heutigen Erben sind in dieser Hinsicht, aber auch in Bezug auf die große Popularität, Hau-Drauf-Party-Kanonen wie Ed Banger und vor allem Justice. Aber nicht nur die elektronische Tanzmusik fährt gut damit. Auch HipHop- und Pop-Acts wie Timbaland oder Justin Timberlake sind Meister der Lautstärke.

Wirklich unangenehm fällt die nuancenlose Effektkomprimiertheit bei Rockmusik auf, hier wirkt das Hoch-tunen oft kontraproduktiv. Aber verallgemeinern kann man auch das nicht, "in einem gewissen Maß kann das auch bei den Beatsteaks geil klingen", findet Nietzsche. Und "Nevermind" von Nirvana klingt nach heutigen Hörgewohnheiten einfach dünn im Vergleich zu den neuer produzierten Queens of the Stoneage.

Ob dies alles zu einer breiten Rückkehr der LP führen wird, bleibt zweifelhaft. Ein Anstieg des Verkaufs um egal wie viel Prozent bedeutet wenig in Relation zu den verschwindend geringen Auflagenzahlen. Denn nur 0,2 Prozent der verkauften Musik befindet sich auf Vinyl. Die Herstellung bleibt teurer als bei CDs, die Nachfrage geringer - auch wenn es offensichtlich einen kleinen, beständigen Markt gibt. Aber der Platz auf einer Schallplatte ist und bleibt sehr begrenzt, das ist eben der Haken bei den meisten analogen Medien. Die Länge eines durchschnittlichen Albums lässt sich nicht ohne Klangverlust unterbringen.

Es bleibt ein starker Trost: Es gibt genug akustische Musik, die sowieso nicht auf Lautstärke setzt und trotz der veränderten Produktionsweise nuancenreich bleibt, wie Cat Power, Feist, Antony and the Johnsons, Joanna Newsom oder Bonnie "Prince" Billy. Diese Liste ist endlos, und was hier hoch ist, ist die Qualität, nicht die Lautstärke.

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