Dignitas für Sterbehilfe mit Helium: Der Tod per Gasmaske
Die Schweizer Organisation Dignitas verwendet jetzt Helium bei der Sterbehilfe - und wird dafür stark kritisiert. Bischöfin Käßmann nennt es "grauenvoll".
BERLIN taz Die Schweizer Organisation Dignitas steht in der Kritik - weil sie Sterbewilligen neuerdings mit Helium zum Tod verhilft. "Die Vorstellung, dass ein Mensch unter einer Maske an Gas langsam erstickt, während ein anderer danebensteht und nicht eingreift, finde ich grauenvoll", sagte die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann am Donnerstag. Der Chef der Deutschen Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, bezeichnete das Vorgehen als "monströs". Die Politik müsse "endlich Organisationen, die dieses menschenverachtende Geschäft gegen viel Geld anbieten, das Handwerk legen."
Bei der sogenannten Heliummethode stülpen sich die Sterbewilligen eine Maske mit einem Plastikbeutel über den Kopf. Das Helium in dem Beutel verdrängt den Sauerstoff und führt zu Bewusstlosigkeit. Die Menschen ersticken. Nach Angaben von Schweizer Staatsanwälten hat Dignitas seit Februar vier Menschen auf diese Weise beim Sterben geholfen.
Mit der neuen Methode umgehe die Organisation die ärztliche Kontrolle, kritisierte der leitende Oberstaatsanwalt, Andreas Brunner. Bisher verwendete Dignitas eine Natrium-Pentobarbital-Lösung, die die Betroffenen einnehmen. Sie verlieren das Bewusstsein, anschließend tritt Atemlähmung ein.
Anders als bei Helium muss ein Arzt das Medikament verschreiben. So soll sichergestellt sein, dass wirklich nur Schwerstkranke Sterbehilfe erhalten und nicht Menschen, die psychisch krank sind.
Dignitas-Gründer und -Geschäftsführer Ludwig A. Minelli verteidigte die neue Praxis - und warnte vor Nachahmung. "Die Behörden haben die Heliummethode bekannt gemacht und damit eine schwere Verantwortung auf sich geladen", sagte er. Dies könne einen Anstieg von Suiziden zur Folge haben.
Auch der Geschäftsführer des deutschen Ablegers Dignitate mit Sitz in Hannover, Uwe Christian Arnold, kritisierte die Schweizer Behörden. Bislang habe es genügt, wenn Schwerkranke einen Antrag stellen und einmal einen Arzt aufsuchen. Seit Jahresbeginn aber müssten Sterbewillige in der Schweiz mindestens zweimal binnen drei Tagen einen Mediziner aufsuchen. "Das ist für einen schwerstkranken Menschen eine unzumutbare Hürde", so Arnold.
Anders als in Deutschland ist in der Schweiz die Beihilfe zur Selbsttötung erlaubt. Laut Angaben von Dignitas haben sich 2006 rund 200 Sterbewillige an die Organisation gewandt, davon 120 aus Deutschland.
Auch in Frankreich geht die Debatte über den Umgang mit Todkranken weiter: Wenige Tage nachdem ein Gericht ihren Antrag auf Sterbehilfe abgelehnt hatte, wurde die krebskranke Chantal Sébire tot in ihrer Wohnung gefunden. Es gebe "keine spezifische Todesursache", sagte ein Staatsanwalt am Freitag.
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