Miliz gegen irakisches Militär: Basra außer Kontrolle

15.000 irakische Soldaten gehen in Basra gegen die Milizen des Schiitenpredigers al-Sadr vor. Der ruft zu Mäßigung auf.

Seit die britischen Truppen aus Basra abzogen sind, gerät die Sicherheitslage zunehmend ausser Kontrolle. Bild: ap

KAIRO taz In der südirakischen Stadt Basra sind am Dienstag schwere Kämpfe zwischen der regulären irakischen Armee und den Mahdi-Milizen des Schiitenpredigers Muktada al-Sadr ausgebrochen. Die Armee setzte Artillerie und Panzer ein. Bis zu 15.000 Soldaten sollen an dem Einsatz beteiligt sein. Der irakische Premierminister Nuri al-Maliki ist eigens nach Basra geflogen, um diesen Einsatz zu leiten. Auch in den südirakischen Städten Kut und Nassirija kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Sadr-Milizen und irakischen Sicherheitskräften, weshalb am Dienstag dort eine Ausgangssperre verhängt wurde.

Der Schiitenprediger al-Sadr rief sowohl die Sicherheitskräfte als auch seine Anhänger zur Mäßigung auf. Dennoch droht nun ein Ende der Waffenruhe, die al-Sadr vor sieben Monaten einseitig verkündet hat. Dieser Waffenstillstand war - neben der Verstärkung der US-Armee und den neu aufgestellten sunnitischen Stammesmilizen gegen al-Qaida - einer der wichtigsten Faktoren für den von der US-Regierung viel beschworenen Rückgang der Gewalt in den letzten Monaten.

Offiziell hatte die irakische Armee nach dem Ausruf einer nächtlichen Ausgangsperre am Montag mit einer groß angelegten Operation gegen "kriminelle Elemente" in der Stadt begonnen. Tatsächlich war die Sicherheitslage in Basra bereits vor dem Abzug der britischen Armee letzten Dezember zunehmend außer Kontrolle geraten, mit rivalisierenden schiitischen Milizen und Schmugglerbanden, die sich in der erdölreichen Stadt um Reviere stritten. Die Mahdi-Milizen sahen die neueste Operation als unmittelbar gegen sie gerichtet an, denn bereits in den letzten Tagen waren mehrere Milizionäre festgenommen worden. Sie werfen der Regierung vor, den Waffenstillstand auszunutzen, um gegen sie vorzugehen. Die Regierung argumentiert dagegen, dass es sich bei den Verhafteten lediglich um Milizionäre einer Splittergruppe handelt, die sich nicht an den Waffenstillstand gehalten habe. Doch die Anhänger Sadrs rufen inzwischen zu landesweitem zivilem Ungehorsam auf.

Vor allem in den Vierteln Basras, die als Hochburgen al-Sadrs gelten, waren am Dienstag Granateinschläge und Schusswechsel zu hören. Die Mahdi-Miliz nahm mehrere Militärbasen in der Stadt unter Feuer. Bis zu den Mittagsstunden kamen mindestens 25 Menschen ums Leben. Britische Einheiten, die sich noch auf einem Stützpunkt außerhalb der Stadt befinden, sollen laut Angaben des Verteidigungsministeriums in London nicht direkt in die Bodenkämpfe eingegriffen haben. Ein Sprecher des Ministeriums wollte sich jedoch nicht zur Frage äußern, ob die Unterstützung aus der Luft für die regulären irakischen Einheiten von britischer oder amerikanischer Seite kam. Ebenfalls im südirakischen Nadschaf wurden die Mahdi-Milizen in Alarmbereitschaft versetzt, "um sich auf Schläge gegen die Besatzer und ihre irakischen Verbündeten vorzubereiten". In Bagdad beschossen mutmaßliche Kämpfer der Mahdi-Milizen am zweiten Tag in Folge die Grüne Zone mit Mörsergranaten. Al-Sadr selbst hatte seine Anhänger vor Kurzem aufgerufen, den Waffenstillstand einzuhalten, sich jedoch zu verteidigen, wenn sie angegriffen würden. KARIM EL-GAWHARY

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Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)

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